Die Effizienz von Anuttarayoga-Tantra: Gelug

Alle Details der vier Punkte zum Analysieren verstärkter Effizienz des allgemeinen Tantra beziehen sich auf Anuttarayoga. Darüber hinaus können uns jedoch die gleichen vier Punkte helfen zu verstehen, warum die höchste Tantra-Klasse, Anuttarayoga, sogar noch schneller ist, als die anderen drei Tantra-Klassen. 

(1) Engere Analogien 

Anuttarayoga-Praxis ist nicht nur auf aufsteigende Weise mit Analogien der Resultate verbunden, die wir versuchen zu erlangen, wie im allgemeinen Tantra. Die Übungen, welche die Resultate simulieren, sind auch auf absteigende Weise mit den Grundlagen vergleichbar, die wir reinigen wollen (tib. sbyang-gzhi), nämlich unsere samsarische Existenz. 

Absteigende Analogien

Samsarische Existenz bringt unkontrollierbar sich wiederholendes Erfahren von Tod, Bardo (Zwischenzustand) und Wiedergeburt mit sich. Wir können den Vorgang, durch den die drei stattfinden, als Veränderungen der Subtilität geistiger Aktivität beschreiben.

  1. Wenn wir sterben, wird unser Bewusstsein zunehmend subtiler, während es sich in acht Stufen von der gröbsten zur subtilsten Ebene bewegt. Das liegt daran, dass die physischen Grundlagen für die gröberen Ebenen in dem Sinne versagen (tib. thim, sich auflösen), dass sie nicht mehr als Stütze für geistige Aktivität wirken können. Im Tod ist nur die geistige Aktivität des klaren Lichts, die wie ein Laserstrahl ist, übrig.
  2. Im Bardo wird die geistige Aktivität etwas gröber, wenn wir erfahren, wie sie subtile Erscheinungen hervorbringt, die im Zustand zwischen den Geburten auftreten.
  3. Mit der Wiedergeburt wird die geistige Aktivität noch gröber und geht zu ihren gewöhnlichen Ebenen zurück, mit dem Sinnesbewusstsein und dessen Erzeugen grober Erscheinungen.

In der Gelug-Tradition fokussieren wir uns darauf, unsere zukünftigen Tode, die darauffolgenden Bardos und unsere nächsten Wiedergeburten zu reinigen. Für Gelug bedeutet „reinigen“ hier, unsere samsarische Existenz zu beseitigen, sodass sie nie wieder auftritt, also mit anderen Worten eine wahre Beendigung zu erlangen. 

Ein ähnlicher Vorgang der Veränderung der Subtilität findet statt, wenn wir einschlafen:

  1. Mit dem Tiefschlaf erreichen wir eine äußerst subtile Ebene der geistigen Aktivität.
  2. Wenn wir träumen ist die Ebene der geistigen Aktivität etwas gröber und erzeugt subtile Erscheinungen.
  3. Mit dem Aufwachen kehrt unsere geistige Aktivität auf die grobe sensorische Ebene zurück.

Aufsteigende Analogien

Obwohl wir die drei untrennbaren erleuchtenden Körper eines Buddhas (tib. sku-gsum, drei Körper eines Buddha) zusammen mit dem Erlangen der Erleuchtung erreichen, können wir den Vorgang auch in drei Schritten verstehen, die vergleichbar mit dem sind, was im Tod oder Schlaf geschieht. Die drei Schritte bestehen darin, dass die geistige Aktivität am subtilsten ist, dann etwas gröber und schließlich noch gröber wird:

  1. Die subtilste Ebene – Dharmakaya (tib. chos-sku, der alles umfassende Körper eines Buddhas), bezieht sich auf die allwissende geistige Aktivität eines Buddhas und die Natur dieser Aktivität
  2. Etwas gröber – Dharmakayas Hervorbringen von Erscheinungen eines „Sambhogakaya“ (tib. longs-sku, ein Körper vollen Gebrauchs): ein Netzwerk von subtilen Formen, die vollen Gebrauch von den Bodhisattva-Lehren machen und welche nur Arya-Bodhisattvas wahrnehmen können. „Arya-Bodhisattvas“ sind Bodhisattvas, welche nichtkonzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit erfahren haben.
  3. Noch gröber – Dharmakayas Hervorbringen von Erscheinungen eines „Nirmanakaya“ (tib. sprul-sku, ein Ausstrahlungskörper): ein Netzwerk gröberer Formen, ausgestrahlt vom Sambhogakaya, welches auch einige gewöhnliche Menschen sehen können.

Alternativ, und besonders im allgemeinen Anuttarayoga-Tantra, ist Sambhogakaya das Netzwerk der erleuchtenden Rede eines Buddhas und Nirmanakaya das Netzwerk aller manifesten Formen des erleuchtenden Körpers eines Buddhas, unabhängig von der Ebene der Subtilität. Die Rede und die physischen Körper eines Buddhas sind zunehmend gröber als der erleuchtende Geist eines Buddhas. Zusammengenommen bilden Nirmanakaya und Sambhogakaya einen „Rupakaya“, einen Korpus erleuchtender Formen (tib. gzugs-sku, Formkörper). 

Die analogen Praktiken

Die Anuttarayoga-Praktiken zum Erlangen von Geist und Formkörper eines Buddhas sind analog zum dreistufigen Vorgang der grundlegenden und resultierenden Ebene. 

1. Wenn wir auf der grundlegenden Ebene sterben oder einschlafen, oder wenn wir auf der resultierenden Ebene einen Dharmakaya erlangen, gehen wir in acht Schritten zur subtilsten Ebene der geistigen Aktivität. Um nichtkonzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit als Ursache für den erleuchtenden Geist eines Buddhas auf dem Anuttarayoga-Pfad zu erlangen, gehen wir ebenfalls in acht Schritten zur subtilsten Ebene des Geistes und machen ihn für diese Wahrnehmung zugänglich und nutzbar.

Zunächst tun wir dies auf der Erzeugungsstufe in unserer Vorstellung. Wenn wir durch umfangreiche Praxis mit unseren Visualisierungen all die notwendigen Werkzeuge für die Meditation vollständig erlangt haben, erreichen wir tatsächlich unseren Geist des klaren Lichts, während wir die Schritte der Vollendungsstufe durchgehen. 

Hier gilt es zu beachten, dass „Geist des klaren Lichts“ als Begriff für die geistige Aktivität des klaren Lichts nicht bedeutet, dass alle Wesen einen Geist des klaren Lichts miteinander teilen. So, wie die Leerheit eines jeden Phänomens eine individuelle Leerheit ist, ist auch der Geist des klaren Lichts, als eine Ebene der geistigen Aktivität, in jedem Wesen individuell.

2. Wenn wir auf der grundlegenden Ebene einen Bardo- oder Traumzustand, oder auf der resultierenden Ebene einen Sambhogakaya erlangen, wird unsere geistige Aktivität etwas gröber. In ähnlicher Weise entstehen wir im Zustand des Leerheitsverständnisses auf dem Pfad in einer subtilen Form, wie einem kreativen Energietropfen (tib. thig-le, Skt. bindu), einer Keimsilbe (tib. sa-bon), oder einer vereinfachten Buddha-Gestalt.

3. Werden wir auf einer grundlegenden Ebene wiedergeboren, wachen auf oder manifestieren auf einer resultierenden Ebene einen Nirmanakaya, erzeugt unsere geistige Aktivität grobe Erscheinungen, die das Sehbewusstsein normalerweise wahrnehmen kann. In ähnlicher Weise lassen wir auf dem Pfad die subtile Form eines kreativen Energietropfens entstehen und erscheinen in einem gröberen Aspekt als völlständiger Körper einer Buddha-Gestalt.

Den Reinigungsprozess kann man vielleicht anhand einer Analogie verstehen. Nehmen wir einmal an, es gäbe zwei zweistöckige Häuser mit einem gemeinsamen Untergeschoss, in dem sich die Stromquelle für beide Häuser befindet. Ein Haus ist die grundlegende Situation von Samsara, das andere die resultierende Situation der Erleuchtung. Das Erdgeschoss der Häuser ist die Ebene der subtilen Erscheinungen und das Obergeschoss die Ebene der groben Erscheinungen. Das gemeinsame Untergeschoss ist die Ebene der geistigen Aktivität des klaren Lichts. 

Angenommen der Strom fließt nun nur zum Samsara-Haus, jedoch nicht zum Haus der Erleuchtung. Um nun den Strom zum Samsara-Haus abzustellen und ihn zum Haus der Erleuchtung fließen zu lassen, ist es notwendig, eine Treppe mit acht Stufen bis ins Untergeschoss hinabzusteigen und die Verbindung zu ändern. Um Samsara zu reinigen, damit es nie wieder auftritt, ist es in ähnlicher Weise notwendig, acht Stufen zur Ebene des klaren Lichts hinabzusteigen und den Mechanismus des Hervorbringens von Erscheinungen auszuschalten, damit er keine weiteren Erscheinungen von Samsara mehr hervorbringt. Dies tun wir mit der nichtkonzeptuellen Wahrnehmung der Leerheit. Indem wir das tun, verbinden wir automatisch den Mechanismus des Hervorbringens von Erscheinungen mit dem Haus der Erleuchtung, damit er die subtilen und groben Erscheinungen des physischen Körpers eines Buddhas hervorbringt. 

Bevor wir tatsächlich in das Untergeschoss kommen und die Leitungen wieder anschließen können, ist es notwendig, den gesamten Vorgang zu praktizieren, indem wir ihn üben. Anders ausgedrückt üben wir etwas, das dem Vorgang ähnelt – zunächst in unserer Vorstellung und dann in tatsächlicher Nachahmung. Das ist die Bedeutung davon, den Pfad zu praktizieren, der vergleichbar ist mit der Basis, die wir reinigen und dem Resultat, das wir erlangen wollen. In unserer Vorstellung etwas zu üben, bezieht sich auf die Praxis der Erzeugungsstufe, und mit tatsächlicher Nachahmung zu üben, auf die Praxis der Vollendungsstufe. 

Somit gibt es im Anuttarayoga nicht nur mehr Analogien, als im allgemeinen Tantra, sowohl aufwärts in Bezug auf das Resultat, als auch abwärts, in Bezug auf die Basis, sondern auch engere. Zudem imitiert die Praxis nicht nur die Phänomene, die wir sowohl auf den resultierenden, als auch auf den grundlegenden Ebenen erfahren, sondern auch, wie wir ihre Erfahrung in beiden erlangen. Diese Praktiken heißen daher „Arten von Pfaden des Geistes (zum Erlangen) der drei Buddhakörper nehmen“ (tib. sku-gsum lam-'khyer)

  1. den Tod als einen Pfad des Geistes (zum Erlangen) eines Dharmakaya nehmen (tib. 'chi-ba chos-sku lam-'khyer)
  2. Bardo als einen Pfad des Geistes (zum Erlangen) eines Sambhogakaya nehmen (tib. bar-do longs-sku lam-'khyer)
  3. Geburt als einen Pfad des Geistes (zum Erlangen) eines Nirmanakaya nehmen (tib. skye-ba sprul-sku lam-'khyer).

(2) Engere Vereinigung von Methode und Weisheit 

Methode bezüglich der Erscheinung eines Körpers

So, wie es drei Ebenen der geistigen Aktivität gibt, gibt es auch drei Ebenen des Körpers, die sie stützen: 

  1. die grobe Ebene – der Körper aus Fleisch und Blut, mit der sensorischen Ausstattung;
  2. die subtile Ebene – der Körper des subtilen Energiesystems der „Chakren“ (Energieknoten), Kanäle, Energiewinde und kreative Energietropfen; sowie
  3. die subtilste Ebene des Körpers – den subtisten Energiewind, der die physische Stütze oder das Gegenstück für die subtilste Ebene der geistigen Aktivität ist.

Im allgemeinen Tantra werden Methode und Weisheit als zwei Wahrheiten über das gleiche Phänomen miteinander verbunden, indem man sie betrachtet als eines Geistes: 

  1. Erscheinung des Körpers einer Buddha-Gestalt, die aktiv erzeugt wird oder zumindest dessen physische Grundlage ist; und
  2. dessen Wahrnehmen der Leerheit dieser Erscheinung.

Gemäß der Gelug-Erklärung ist das Phänomen hier im allgemeinen Tantra die subtilste Ebene der geistigen Aktivität – unsere normale geistige oder yogische nichtkonzeptuelle Wahrnehmung. Zwei untrennbare Wahrheiten über dieses Phänomen sind dessen kognitiver Aspekt und dessen stützender subtiler Energiewind. Die Erscheinung einer Buddha-Gestalt, die unsere gewöhnliche geistige oder yogische Wahrnehmung erzeugt, besteht aus diesem subtilen Energiewind. Unsere subtilen Ebenen der geistigen Aktivität und des Körpers setzten sich jedoch nicht in der Erleuchtung fort. Sie setzen sich nicht einmal während unserer Todes-Existenz fort, bevor sie im Bardo wieder auftauchen. 

Im Anuttarayoga hingegen greifen wir auf zwei Aspekte der subtisten Ebene unserer geistigen Aktivität zu – dessen Wahrnehmung des klaren Lichts und dessen subtilsten Energiewind. Beide setzen sich bis in die Buddhaschaft fort. Ihre Kontinuua enden nie, auch nicht während dem Sterben. Tatsächlich liegt dem untrennbaren Paar jeder Augenblick unserer Erfahrung zugrunde. Als Weisheit erzeugen wir geistige Aktivität des klaren Lichts in nichtkonzeptueller Wahrnehmung der Leerheit und als Methode erzeugen wir dessen subtilsten Energiewind in der Erscheinung einer Buddha-Gestalt. Diese Erscheinung wird „gereinigter Illusionskörper“ (tib. dag-pa’i sgyu-lus) genannt. Er ist von den emotionalen Schleiern (tib. nyon-sgrib) gereinigt, die Befreiung verhindern. Nichtkonzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit im Geist des klaren Lichts wird „tatsächliches klares Licht“ (tib. don-gyi ‘od-gsal) genannt. 

Damit ist die Vereinigung von Methode und Weisheit mit der Ebene des klaren Lichts im Anuttarayoga nicht enger als im allgemeinen Tantra, weil Methode und Weisheit im Anuttarayoga nicht nur untrennbar sind. Sie sind in jedem Moment als der erleuchtende Körper und Geist eines Buddhas zugänglich. 

Darüber hinaus scheinen alle Erscheinungen aus subtilem Energiewind mit wahrer Existenz zu existieren, doch auf diese Weise existieren sie keineswegs. Daher kann die Wahrnehmung der Erscheinung einer Buddha-Gestalt mit der subtilen Ebene geistiger Aktivität nicht gleichzeitig mit konzeptueller oder nichtkonzeptueller Wahrnehmung der Leerheit auftreten. Als eine Vereinigung von Methode und Weisheit können sie sich nur mit äquivalenten kognitiven Weisen des Erfassens ihrer Objekte abwechseln. 

Im Gegensatz dazu scheinen Erscheinungen aus bloßen subtilsten Energiewinden so zu existieren, wie sie tatsächlich existieren. Sie scheinen als abhängig entstehende Phänomene (tib. rten-‘brel, Skt. pratityasamutpada) zu existieren – nämlich als Phänomene, die als „dies“ oder „das“ allein abhängig davon entstehen, auf was sich die geistigen Bezeichnungen für sie beziehen, wenn sie einer gültigen Grundlage für die Bezeichnung zugeschrieben werden. Weil abhängig entstehende Phänomene völlig frei davon zu sein scheinen, mit wahrer Existenz zu existieren, können sie gleichzeitig mit nichtkonzeptueller Wahrnehmung der Leerheit im Geist des klaren Lichts erscheinen. 

Die nichtkonzeptuelle Ausrichtung auf eine Abwesenheit wahrer Existenz blockt (tib. khegs, blockiert) eine Erscheinung wahrer Existenz, weil eine Abwesenheit und eine Präsenz wahrer Existenz sich gegenseitig ausschließen. Solche eine Ausrichtung blockiert jedoch nicht die Erscheinung einer Existenzweise, die völlig frei von wahrer Existenz ist – nämlich eine Erscheinung abhängig entstehender Existenz. Das ist so, weil eine Abwesenheit wahrer Existenz und die Präsenz abhängig entstehender Existenz synonym sind. 

Somit ist die Vereinigung von Methode und Weisheit im Anuttarayoga besonders eng, weil die äquivalenten Weisen des kognitiven Erfassens des untrennbaren Paares – gereinigter Illusionskörper und tatsächliches klares Licht – gleichzeitig auftreten können. 

Methode bezüglich eines glückseligen Gewahrseins

Im Anuttarayoga-Tantra bezieht sich Methode nicht nur darauf, aus den subtilsten Energiewinden den Körper eines Buddhas hervorzubringen, sondern auch darauf, ein glückseliges Gewahrsein für die Wahrnehmung der Leerheit zu nutzen. Gelegentlich unterscheiden wir die vier Tantra-Klassen entsprechend ihrer zunehmenden Ebenen der Glückseligkeit (tib. bde-ba), die sich in jeder der Tantra-Klassen ergeben:

  1. Kriya-Tantra – die Glückseligkeit durch das Sehen eines Partners
  2. Charya – die Glückseligkeit durch gegenseitiges Anlächeln
  3. Yoga – die Glückseligkeit durch Umarmen oder Händehalten
  4. Anuttarayoga – die Glückseligkeit durch die sexuelle Vereinigung mit einem Partner.

In den drei niederen Tantra-Klassen wird jedoch nicht unbedingt Gebrauch von einem glückseligen Gewahrsein als Methode gemacht. Die vier Ebenen der Glückseligkeit sind Analogien, die auf einem insbesondere aus dem Anuttarayoga stammenden Merkmal beruhen, um auf zunehmend intensivere Ebenen des Geistes in den vier Tantra-Klassen hinzudeuten. 

Außerdem ist die Glückseligkeit der sexuellen Vereinigung, die in der Anuttarayoga-Praxis als eine Methode benutzt wird, nicht die Glückseligkeit des Orgasmus (tib. ‘dzag-bde), die in gewöhnlicher sexueller Vereinigung stattfindet. Die Tantra-Praxis hat nichts mit orgastischer Entladung oder ausgearteten Orgien zu tun. Sie für so etwas zu halten, ist ein völliges Missverständnis des Tantra. Der entscheidende Punkt, um den es geht, wenn durch den Kontakt der subtilen Energiekanäle der zwei Geschlechtsorgane ein glückseliges Gewahrsein erzeugt wird, ist, dass dies ganz natürlich zur subtilsten Ebene des Geistes führt. Wir wünschen uns, diese Ebene der geistigen Aktivität des klaren Lichts für die Wahrnehmung der Leerheit zugänglich zu machen, zu erhalten und zu nutzen. 

Wenn wir niesen, gähnen, ohnmächtig werden, in den Tiefschlaf fallen, sterben oder die intensivste Glückseligkeit sexueller Vereinigung erfahren, ziehen sich die subtilen Energiewinde natürlicherweise nach innen und unsere geistige Aktivität nähert sich der subtilsten Ebene. Mit dem Niesen oder Gähnen ist es äußerst schwierig, in der Meditation die natürliche Auflösung der Energiewinde aufrechtzuerhalten, um uns für einen längeren Zeitraum auf die Leerheit zu konzentrieren, ohne dass die Winde sofort wieder nach außen gelangen. Die Zustände der Ohnmacht, des Tiefschlafs oder Sterbens sind ähnlich schwierig, da der Geist dann dazu neigt, dumpf oder träge zu sein. Erlangen wir jedoch durch fortgeschrittene innere Yoga-Methoden die Kontrolle über unsere eigenen subtilen Energiewinde, sodass wir deren explosive Entladung mit dem Orgasmus verhindern können, sind wir in der Lage, das glückselige Gewahrsein der Vereinigung und dessen natürlicherweise daraus resultierende subtile Ebene des Geistes aufrechtzuerhalten. Dann können wir es nutzen, um die Energiewinde weiter bis zur Ebene des klaren Lichts aufzulösen und dieses glückselige Gewahrsein des klaren Lichts für anhaltende Wahrnehmung der Leerheit verwenden. 

Die zwei Gruppen von Schleiern

Es gibt zwei Gruppen flüchtiger Makel, welche die geistige Aktivität des klaren Lichts verschleiern: 

  1. die emotionalen Schleier (Hindernisse) (tib. nyon-sgrib), welche die störenden Emotionen und Geisteshaltungen sind und Befreiung verhindern
  2. die kognitiven Schleier (tib. shes-sgrib), die sich auf alles, was man kennen kann, beziehen und die Allwissenheit der Erleuchtung verhindern.

Die „kognitiven Schleier“ umfassen die ständigen Gewohnheiten (tib. bag-chags, Instinkte) des Greifens nach wahrer Existenz, die, wie einzig im Gelug-Prasangika behauptet wird, Erscheinungen wahrer Existenz eines jeden Augenblicks unserer konzeptuellen und gewöhnlichen nichtkonzeptuellen Wahrnehmung hervorbringen. Weil sie solche Erscheinungen entstehen lassen, verhindern diese ständigen Gewohnheiten, dass wir die zwei Wahrheiten über irgendetwas – dessen Erscheinung und dessen Leerheit – gleichzeitig wahrnehmen. 

Laut dem Gelug-Prasangika umfassen die „emotionalen Schleier“ das Greifen nach wahrer Existenz (tib. bden-‘dzin), wodurch wir glauben, die Erscheinungen wahrer Existenz, die wir wahrnehmen, würden der Realität entsprechen. Sie umfassen auch die störenden Emotionen und Geisteshaltungen – sowohl doktrinär bedingt (tib. kun-brtags) und automatisch erscheinend (tib. lhan-skyes) – die alle auf dieses Greifen zurückzuführen sind. In ähnlicher Weise gehören zu dieser Gruppe der Schleier auch die Vermächtnisse (tib. sa-bon, Same, Tendenz) beider Arten von störenden Emotionen und Geisteshaltungen, die sie in Abständen entstehen lassen. 

  • Doktrinär bedingte störende Emotionen und Geisteshaltungen entstehen durch das Studieren und Akzeptieren verzerrter Sichtweisen der Realität von Lehrsystemen, die nicht zum Prasangika gehören. Solche störenden Emotionen und Geisteshaltungen treten nur während konzeptueller Wahrnehmung auf. Beispiele sind das sture Anhaften und Verteidigen, zu dem es kommt, wenn jemand unsere fehlerhaften Glaubensvorstellungen herausfordert.
  • Automatisch erscheinende störende Emotionen und Geisteshaltungen treten sogar in nichtkonzeptueller Sinneswahrnehmung auf, wie die Wut und Anhaftung, die in Menschen und Tieren zum Vorschein kommen, wenn ihnen jemand ihr Lieblingsspielzeug wegnimmt.

Nichtkonzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit ist der wahre Pfad des Geistes, der zu einer wahren Beendigung der zwei Gruppen von Schleiern führt, sodass sie niemals wieder auftreten. Zunächst beseitigt er die emotionalen Schleier und erst wenn er alle für immer beseitigt hat, beginnt er die kognitiven Schleier zu entfernen. 

Darüber hinaus erfordert nichtkonzeptuelle Wahrnehmung die Kraft einer Entschlossenheit, frei zu sein (Entsagung), um die emotionalen Schleier, die Befreiung verhindern, zu beseitigen. Des Weiteren erfordert sie Bodhichitta, um die kognitiven Schleier zu durchtrennen, die Allwissenheit verhindern. Um die subtilste Ebene dieser zweiten Gruppe von Schleiern zu durchtrennen, muss die durch die Kräfte von Entsagung und Bodhichitta getragene nichtkonzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit die Ebene der geistigen Aktivität des klaren Lichts haben. 

Die Notwendigkeit für ein glückseliges Gewahrsein der Leerheit

Geistige Aktivität des klaren Lichts nimmt nicht unbedingt Leerheit wahr, obwohl sie laut der Erklärung des Gelug-Meisters Kedrub Norsang-gyatso (tib. mKhas-grub Nor-bzang rgya-mtsho) aus dem 15. Jahrhundert natürlicherweise eine kognitive Erscheinung erzeugt, die jener der Leerheit ähnelt. Die Wahrnehmung des klaren Lichts ist auch nicht zwangsläufig glückselig, wie beispielsweise im Tod. Durch die Glückseligkeit der sexuellen Vereinigung als Methode, um auf unsere subtilste Ebene der geistigen Aktivität zuzugreifen und dann mit diesem glückseligen Geist klaren Lichts Leerheit wahrzunehmen, führt die Anuttarayoga-Praxis dennoch zum effizientesten kognitiven Werkzeug zum Durchtrennen aller Schleier. 

Das kognitive Werkzeug im Anuttarayoga ist somit gleichzeitig: 

  • eine Ebene der geistigen Aktivität des klaren Lichts;
  • ein glückseliges Gewahrsein;
  • eine nichtkonzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit;
  • eine Wahrnehmung, die von der Kraft der Entschlossenheit, frei zu sein, getragen wird, und
  • eine Wahrnehmung, die von der Kraft des Bodhichitta getragen wird.

Eine glückselige Wahrnehmung, eine nichtkonzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit und eine Wahrnehmung des klaren Lichts sind nicht zwingend untrennbare Phänomene – eins kann in einem Moment der Wahrnehmung da sein, ohne dass die anderen zeitgleich auftreten. Trotzdem macht die Anuttarayoga-Praxis sie zu untrennbaren Wahrheiten über das gleiche Phänomen: einen Moment der Wahrnehmung. 

Mit anderen Worten: So, wie man eine Zielscheibe mit verschiedenen Pfeilen treffen kann, kann man auch eine Vielzahl von Arten des Geistes nutzen, um nichtkonzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit zu erlangen. Anuttarayoga nutzt einen glückseligen Geist des klaren Lichts, der durch glückseliges Gewahrsein auf gröberen Ebenen erlangt wird, als den Pfeil zum nichtkonzeptuellen Wahrnehmen der Leerheit. Auf diese Weise ist glückseliges Gewahrsein des klaren Lichts der Geist mit nichtkonzeptueller Wahrnehmung der Leerheit und somit ist die Vereinigung von Methode und Weisheit im Anuttarayoga besonders eng. Im Gelug wird diese Verbundenheit „untrennbare Leerheit und Glückseligkeit“ genannt. 

Yab-Yum

Die grafische Darstellung von Buddha-Gestalten in Vereinigung symbolisiert Methode und Weisheit als zwei untrennbare Wahrheiten über ein Phänomen – die Wahrnehmung klaren Lichts. „Yab-Yum“, der tibetische Begriff für das Paar, bedeutet nicht männlich und weiblich oder maskulin und feminin, sondern Vater und Mutter. Wenn die Ursachen für den Körper und Geist eines Buddhas zu untrennbaren Weisheiten über die geistige Aktivität des klaren Lichts werden, bringen sie Erleuchtung hervor, so wie ein Vater und eine Mutter durch die sexuelle Vereinigung ein Kind hervorbringen. 

Kurzum sind der subtilste Energiewind und die geistige Aktivität des klaren Lichts, die ihn stützt, bereits untrennbare Wahrheiten über die geistigen Aktivität des klaren Lichts. In der Anuttarayoga-Praxis wird der subtilste Energiewind in der Form eines Buddha-Paares – nicht nur einer einzelnen Buddha-Gestalt – und der geistigen Aktivität des klaren Lichts als eine nichtkonzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit erzeugt. Darüber hinaus wird durch glückseliges Gewahrsein auf die Ebene klaren Lichts zugegriffen und dadurch die Wahrnehmung klaren Lichts untrennbar als glückseliges Gewahrsein erzeugt. Auf diese Weise wird im Anuttarayoga die Wahrnehmung der Leerheit im Geist des klaren Lichts zur Weisheit und, als Methode, wird sie untrennbar zu einem glückseligen Gewahrsein und lässt den Energiewind, der bereits untrennbar davon ist, in der Form eines Buddha-Paares erscheinen.

(3) Besondere Grundlage für Leerheit 

Im Anuttarayoga-Tantra ist die besondere Basis für Leerheit nicht einfach der Körper einer Buddha-Gestalt, der, wie im allgemeinen Tantra, durch die subtilen Energiewinde unserer Vorstellungen erzeugt wurde, sondern solch ein Körper, der durch die subtilsten Energiewinde unseres Geistes des klaren Lichts erzeugt wurde. Da die Ebene der geistigen Aktivität des klaren Lichts jedem Moment unserer Erfahrung zugrunde liegt, ist der Energiewind dieser Ebene stets für uns in der Meditation zugänglich. Somit bildet der Anuttarayoga sogar eine stabilere Grundlage für Leerheit, auf die man sich richten kann, als im allgemeinen Tantra. 

(4) Besondere Ebene der geistigen Aktivität 

Einführende Bemerkungen

Egal welche Ebene des Geistes wir nutzen, um Leerheit wahrzunehmen: die Leerheit selbst bleibt die gleiche. Das Verständnis der Abwesenheit von unmöglichen Existenzweisen ist im Bodhisattva-Sutra und allen vier Tantra-Klassen gleich. Die subtilste Ebene der geistigen Aktivität für diese Wahrnehmung zu nutzen, hat jedoch neben der ständigen Verfügbarkeit für die Praxis viele zusätzliche Vorteile, denn die Wahrnehmung der Leerheit im Geist des klaren Lichts erfordert keine drei Zillionen von Zeitaltern (zahllose Zeitalter), um die emotionalen und kognitiven Schleier zu durchtrennen, wie die Sutra-Praxis. 

Laut dem Gelug-Prasangika erfordert Sutra-Praxis: 

  1. eine Zillion Zeitalter, um yogische nichtkonzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit und damit einen Pfadgeist des Sehens (Pfad des Sehens) zu erlangen, mit dem wir doktrinär bedingte störende Emotionen und Geisteshaltungen und deren Vermächtnisse für immer beseitigen;
  2. eine zweite Zillion von Zeitaltern, um den Rest der emotionalen Schleier, die Befreiung verhindern, zu beseitigen und damit die achte von zehn Ebenen des Bhumi-Geistes von Arya-Bodhisattvas (tib. byang-sa) zu erlangen. Die ersten sieben Ebenen des Bhumi-Geistes sind ungereinigte Arten des Bhumi-Geistes (tib. ma-dag-pa’i sa) – mit anderen Worten: Ebenen eines hochverwirklichten Bodhisattva-Geistes, der nicht vollständig von emotionalen Schleiern gereinigt ist;
  3. eine dritte Zillion von Zeitaltern, um die kognitiven Schleier, die Allwissenheit verhindern, für immer zu beseitigen und somit das Erlangen der letzten drei Ebenen des Bhumi-Geistes von Arya-Bodhisattvas, die gereinigten Arten des Bhumi-Geistes (tib. dag-pa’i sa), zu vervollständigen und Erleuchtung zu erlangen.

Geistige Aktivität des klaren Lichts ist von Natur aus nichtkonzeptuell

Die subtilste Ebene der geistigen Aktivität, die zweite der drei Ebenen des Geistes, kann entweder konzeptuell oder nichtkonzeptuell sein. Auf dieser Ebene zu bleiben, erfordert die erste Zillion Zeitalter des Stärkens unserer erleuchtungsbildenden Netzwerke positiver Kraft und tiefen Gewahrseins, damit unsere Wahrnehmung der Leerheit nichtkonzeptuell werden kann. Das ist so, weil unsere geistige Aktivität auf der gleichen Ebene der Subtilität bleibt, wie konzeptuelle Wahrnehmung. Folglich gleicht unser Versuch, mit dieser Ebene des Geistes nichtkonzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit zu erlangen, dem Versuch eines Hasen, einem Fuchs zu entkommen, während er, zusammen mit dem Fuchs, über der Erde bleibt. Auch wenn sich der Hase versteckt, kann der Fuchs ihn finden und fangen. 

Geistige Aktivität des klaren Lichts ist hingegen subtiler als alle Ebenen der konzeptuellen Wahrnehmung und somit ausschließlich nichtkonzeptuell. Daher ist das Erlangen nichtkonzeptueller Wahrnehmung der Leerheit mit einem Geist des klaren Lichts wie der Hase, der in einem tiefen Loch verschwindet und somit dem Fuchs entkommt. Sobald wir Zugang zu dieser subtilsten Ebene finden und sie auf die Leerheit richten, wird unsere Wahrnehmung der Leerheit ganz automatisch nichtkonzeptuell. Sie befreit uns automatisch für immer von doktrinär bedingten störenden Emotionen und Geisteshaltungen. Die erste Zillion Zeitalter sind damit nicht notwendig. 

Darüber hinaus ist die Nichtkonzeptualität des Geistes klaren Lichts leichter zu bewahren als die Nichtkonzeptualität der gröberen Ebenen, da Anuttarayoga durch das Erzeugen eines glückseligen Gewahrseins und das Auflösen subtiler Energiewinde im Zentralkanal auf die Wahrnehmung klaren Lichts zugreift. 

Geistige Aktivität des klaren Lichts ist natürlicherweise frei von allen störenden Emotionen und Geisteshaltungen

Während nichtkonzeptueller völliger Vertiefung in Leerheit sind alle störenden Emotionen und Geisteshaltungen abwesend, ob wir für diese Wahrnehmung die subtile oder subtilste Ebene des Geistes nutzen. Mit dem subtilen Geist, der durch die Kraft von Bodhichitta getragen wird, beseitigt die anfängliche nichtkonzeptuelle Vertiefung in Leerheit für immer nur die störenden Emotionen und Geisteshaltungen, die doktrinär bedingt sind. Völlige Beseitigung (wahre Beendigung) der automatisch entstehenden störenden Emotionen und Geisteshaltungen, sodass sie niemals wieder auftreten, erfordert eine zweite Zillion von Zeitaltern. 

Störende Emotionen und Geisteshaltungen können nur grobe und subtile geistige Aktivitäten begleiten – unsere gewöhnlichen sensorischen und geistigen Wahrnehmungen. Geistige Aktivität des klaren Lichts auf der anderen Seite, die subtiler als diese zwei Ebenen des Geistes ist, ist natürlicherweise frei von allen störenden Emotionen und Geisteshaltungen. Durch die Stärke dieser natürlichen Abwesenheit hat die anfängliche Vertiefung in Leerheit mit klarem Licht die Kraft, für immer die doktrinär bedingten störenden Emotionen und Geisteshaltungen gleichzeitig zu beseitigen. Eine zusätzliche zweite Zillion von Zeitaltern ist somit nicht erforderlich. Nichtkonzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit im Geist des klaren Lichts und die völlige Beseitigung aller emotionalen Schleier, welche Befreiung verhindern, treten gleichzeitig auf. 

Geistige Aktivität des klaren Lichts erzeugt keine Erscheinungen wahrer Existenz

Die subtilste Ebene der geistigen Aktivität, ob konzeptuell oder nichtkonzeptuell, erzeugt nur Erscheinungen wahrer Existenz. Daher kann subtile geistige Aktivität, wenn sie nichtkonzeptuell Leerheit wahrnimmt, nicht gleichzeitig irgendwelche Erscheinungen hervorbringen. Ein Moment des Geistes kann nicht gleichzeitig eine absolute Abwesenheit wahrer Existenz und eine Erscheinung wahrer Existenz wahrnehmen. Diese zwei schließen sich gegenseitig aus. Somit kann subtile geistige Aktivität, weil sie nur eine ungereinigte Erscheinung von etwas erzeugen kann, nicht die zwei Wahrheiten über etwas gleichzeitig wahrnehmen: die Erscheinung des Objektes und dessen tatsächliche Existenzweise. 

Die Wahrnehmung klaren Lichts erzeugt andererseits nur gereinigte Erscheinungen – Erscheinungen einer Existenzweise, die völlig frei von allen unmöglichen Weisen ist. Somit kann die Wahrnehmung klaren Lichts – und zwar nur die Wahrnehmung klaren Lichts – gleichzeitig Erscheinungen und Leerheit wahrnehmen. Insbesondere kann sie gleichzeitig Erscheinungen einer Existenzweise frei von wahrer Existenz und einer absoluten Abwesenheit wahrer Existenz wahrnehmen. Aus diesem Grund muss man letztendlich sogar im Sutra und den drei niederen Tantra-Klassen letztendlich Zugang zur geistigen Aktivität des klaren Lichts für das Wahrnehmen von Leerheit finden, um, wie das allwissende Gewahrsein eines Buddhas, gleichzeitig die zwei Wahrheiten über Dinge wahrzunehmen. 

Die Sutra-Methoden erfordern eine dritte Zillion von Zeitaltern, um die Wahrnehmung der Leerheit im Geist des klaren Lichts zu erlangen. Obwohl dies durch die Methoden der drei niederen Tantras beschleunigt wird, dauert es trotz allem eine lange Zeit. In beiden Fällen findet diese Wahrnehmung klaren Lichts nur während der letzten Phase der Praxis vor der Buddhaschaft, also der finalen Phase eines Bhumi-Geistes der zehnten Ebene, statt. Im Anuttarayoga wird sie schon zugänglich gemacht, wenn zunächst nichtkonzeptuelle Wahrnehmung der Leerheit erlangt wird – also anders ausgedrückt mit dem Erlangen eines Pfadgeistes des Sehens und eines Bhumi-Geistes der ersten Ebene. Damit erfordert Anuttara-Yoga keine dritte Zillion von Zeitaltern, um gleichzeitige Wahrnehmung der oberflächlichen und tiefsten Wahrheiten über den Körper der Buddha-Gestalt zu erlangen, der hervorgebracht wird. Dennoch erfordert Anuttarayoga trotz allem beträchtliche Vertrautheit mit dem gleichzeitigen Wahrnehmen der zwei Wahrheiten, um solch eine Wahrnehmung wie ein Buddha, ohne jede Unterbrechung, zu bewahren. 

Geistige Aktivität des klaren Lichts kann über allwissendes Gewahrsein verfügen

Die Existenzweise, in der alles tatsächlich existiert und welche die geistige Aktivität des klaren Lichts gleichzeitig mit der Abwesenheit unmöglicher Existenzweisen von allem wahrnimmt, ist als unabhängig entstehendes Phänomen. Alles entsteht oder existiert abhängig von oder beruhend auf: 

  1. einer Grundlage für die Bezeichnung, einer geistigen Bezeichnung und dem, worauf sich die geistige Bezeichnung bezieht;
  2. Teilen; und,
  3. im Fall nichtstatischer (unbeständiger) Phänomene, auf Ursachen und Bedingungen.

Darüber hinaus entsteht oder existiert alles zusammenhängend und miteinander verbunden. Alles, was in diesem Augenblick auftritt:

  1. ist in Abhängigkeit von allem entstanden, was jemals zuvor aufgetreten ist, wie die Geschichte usw.;
  2. ist mit allem anderen verbunden, das momentan stattfindet; und
  3. wird alles prägen, was in der Zukunft stattfinden wird.

Indem sie somit die gegenseitige Abhängigkeit und den Zusammenhang von allem genau wahrnimmt, wird die geistige Aktivität des klaren Lichts allwissendes Gewahrsein. 

Wenn der Geist des klaren Lichts jedoch das erste Mal zugänglich gemacht wird, funktioniert er nicht allwissend. Obgleich er natürlicherweise frei von den emotionalen Schleiern in Form von störenden Emotionen und Geisteshaltungen ist, ist er nicht frei von den kognitiven Schleiern in Bezug auf alles Erkennbare. Diese letztere Gruppe von Schleiern bringen Erscheinungen wahrer Existenz hervor, jedoch nicht, während sich geistige Aktivität des klaren Lichts manifestiert. 

So lange, wie das Hervorbringen von Erscheinungen wahrer Existenz erneut stattfinden kann, existieren die kognitiven Schleier weiter als das, was dem Geisteskontinuum zugeschrieben werden kann. Wenn geistige Aktivität des klaren Lichts für immer, ohne jede Unterbrechung, bewahrt werden kann, kann die Existenz der kognitiven Schleier nicht mehr diesem Geisteskontinuum zugeschrieben werden. An diesem Punkt wird die geistige Aktivität des klaren Lichts dieses Geisteskontinuums allwissendes Gewahrsein. Das ist die Erlangung, die nur ein Buddha haben kann. Wegen den besonderen Praktiken mit der geistigen Aktivität des klaren Lichts erfordert Anuttarayoga keine dritte Zillion von Zeitaltern, um diesen allwissenden Zustand zu erreichen. 

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