Buddhistische Kunststile in den Regionen der Mongolei

Thangka-Rollbilder und Statuen

Der mongolische Stil der tibetischen Malerei behielt die ursprüngliche Ikonographie bei und adaptierte den Hintergrund: auf tibetischen Thangkas (Rollbilder mit einem Rahmen aus Brokatstoff) sieht man hier typischerweise stilisierte Berge mit Schnee bedeckten Spitzen und Seen. Auf den Hintergründen der mongolischen Kunst dagegen sind die sanft hügeligen Grasfelder und Hügel der mongolischen Landschaft stärker verbreitet, und die kleinen menschlichen Gestalten im Hintergrund sehen eher wie Mongolen als wie Tibeter aus. Im Laufe der Anpassung nahmen dann auch die Gesichter der wichtigsten Gottheiten mongolische Züge an, indem sie breiter und runder wurden als die tibetischen. Die Mongolen haben auch die Tendenz, beim Abbilden der Körpermuskulatur stärkere Schattierungen zu benutzen, obwohl sich dies auch manchmal auf tibetischen Thangkas findet. Die Buryaten folgen dem mongolischen Stil, wobei einige kleinere Details variieren.

Der herausragendste Bildhauer der Mongolei war Zanabazar, der Erste Bogdo Gegen. Der Körper und der Ausdruck seiner Statuen sind weit lebendiger als man es bei tibetischen Statuen sieht. Außerdem haben sie breitere Schultern. Die Haltungen sind kanonisch, vermitteln aber den Eindruck großer Würde. Seine weiblichen Statuen wie die einundzwanzig Taras sind sinnlicher als ihre tibetischen Gegenstücke. Die mongolische Skulpturtradition folgt seinem Stil.

Im Dolonor-Kloster in der Inneren Mongolei und an den verschiedenen tibetischen Klöstern in Peking gab es große Schulen der Malerei und der Statuenfertigung. An beiden Stätten waren die Künstler vor allem Chinesen. Ab dem frühen 19. Jahrhundert kam es in Peking und ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch in Dolonor zu eine Massenproduktion von tibetischen Thangkas und Statuen. Diese wurden in der ganzen Mongolei, in Buryatien, Nordchina und in Tibet verteilt. Der chinesische Stil der tibetischen Thangkas hatte typischerweise leuchtend grelle chinesische Farben, die sie von dem gedämpfteren Farben, die die tibetischen Maler benutzen, unterscheiden. Sie wurden mit sehr viel Blattgold verziert noch stärker als die schon üppig vergoldeten tibetischen Thangkas. Der chinesische Stil der tibetischen Statuen, etwa was kraftvolle Schützer-Figuren angeht, tendierten dazu, muskulöser und asymmetrischer zu sein als ihre tibetischen Gegenstücke. Gewöhnlich wiesen sie leichte freie Adaptierungen auf, die nicht den kanonischen Proportionen entsprachen. Es wurden andere Metalllegierungen als in Tibet benutzt, so dass die Farbe der Statuen oft heller ist. Auch in der Mongolei gab es zahlreiche chinesische Künstler, und manchmal erkennt man ihren Einfluss.

Tempelarchitektur

Sowohl aus China als auch aus dem tibetischen Amdo hat die Tempelarchitektur der Mongolei starke Einflüsse erhalten. Oft haben die Tempel grüne Ziegeldächer, die sich in Zentraltibet nicht finden. In einigen Klöstern, wie etwa im Erdene Zu, gab es einige Gebäude im rein tibetischen Stil, mit massiven Wänden, die leicht nach außen lehnen und Fenstern, die mit schwarzen Trapezformen umrandet sind. Daneben stehen Gebäude in chinesisch beeinflusstem mongolischen Stil.

In Buryatien wurden die Tempel und Klöster meistens im sibirischen Stil aus Baumstämmen gebaut. Solche Bauten fanden sich in der Mongolei oder Tibet nicht, wo die Gebäude meistens aus Stein oder Lehm bestanden. Die frühen buryatischen Tempel wurden von russischen Arbeitern gebaut und waren vom Stil der russisch-orthodoxen Kirchen beeinflusst. Einige frühe Tempel hatten sogar eine Zentralkuppel mit vier kleineren Kuppeln an den vier Ecken. Auch in Tuva wurden einige Tempel aus Baumstämmen gebaut, doch sie folgten einem einfacheren, quadratischeren Stil als in Buryatien.

Die Kalmücken hatten einen einzigartigen Architekturstil mit Tempeln, die manchmal Turmspitzen aufwiesen. Die meisten Tempel allerdings waren vom tragbaren Kibitka-Typ, der aus einem großen Yurten-Zelt auf Rädern bestand.

Khushud Khurul, das Hauptkloster von Kalmückien, wurde von der Architektur der Kazan-Kathedral in Leningrad beeinflusst. Wie sein Vorbild in Leningrad hatte dieser kalmückische Tempel einen weiten Hof, der von einem überdachten Wandelgang mit Kolonnade umgeben war, im Stil des Petersdoms in Rom. Khushud Khurul wurde von Tumen, einem kalmückischen Kavallerieoffizier erbaut, der hiermit den russischen Sieg über Napoleon im frühen 19. Jahrhundert feierte. Die kalmückische Kavallerie hatte den Russen im Krieg gegen Frankreich geholfen und Tumen hatte am Feldzug bis Paris teilgenommen. In der Kazan-Kathedrale befand sich eine Ikone, der man den russischen Sieg über die Polen zuschrieb, der zwei Jahrhunderte früher erfolgt war. Während der Invasion durch die napoleonischen Armeen waren die Kathedrale und die Ikone zum Zentrum der russischen Gebete für einen ähnlichen Sieg über die napoleonische Armee geworden. Tumen, der von seinen Kriegserfahrungen tief bewegt war, finanzierte deshalb in Kalmückien den Bau eines buddhistischen Tempels im Stil der Kazan-Kathedrale.

Der Datsang-Tempel von Leningrad, der dem Dreizehnten Dalai Lama gehörte, wurde im tibetischen Stil gebaut. Einige Merkmale allerdings sind europäisch, wie ein Dachfenster über dem zentralen Gebetsaal.

Obwohl der äußere Stil der Tempel in der Mongolei, Buryatien, Tuva, Kalmückien und Leningrad jeweils vom Geschmack und den Sitten vor Ort beeinflusst wurden, waren die inneren Verziehrungen und die Anordnung der zentralen Gebetshalle standardmäßig tibetisch. Sie hatten Säulenreihen, die mit farbenprächtigen Brokaten und Thangkas verziert waren, elaborierte Wandfresken und eine wilde Anordnung leuchtender Farben. Die Stirnseite hatte elaborierte, bemalte Schrankbehälter für Schriften und Statuen, wobei in der Mitte eine enorme Statue stand (normalerweise handelte es sich um Buddha). Vor dieser Statue stand ein Thron für den Dalai Lama. Thangkas wurden wo auch immer möglich aufgehängt. Alles war verziert und detailreich geschmückt.

Wie in Tibet saßen sich die Mönche in parallelen Reihen senkrecht zur Stirnseite des Tempels gegenüber. Es wurde im Gelug-Stil gesungen, mit tiefen Bass-Stimmen, wobei die Mönche Obertöne entstehen lassen, so dass jeder Sänger einen Akkord produziert. Die langen Messing-Hörner, Oboen, Muschelhörner, Glocken und Trommeln, die die tibetischen Gesänge begleiten, wurden auch in all diesen Gebieten benutzt. Wie auch in Tibet werden überall im buddhistischen Zentralasien üppige Mengen an gesalzenem Buttertee getrunken.

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