"Das siebengliedrige Gebet" als Komplettpraxis

Zur Ruhe kommen indem wir uns auf den Atem konzentrieren

Bevor wir mit einer Meditationssitzung beginnen oder an Belehrungen teilnehmen, müssen wir zuerst zur Ruhe kommen. Wir tun dies, indem wir uns auf die Atmung konzentrieren. Wir atmen ganz normal durch die Nase, nicht zu schnell, nicht zu langsam, nicht zu tief und nicht zu flach, und wir zählen dabei die Atemzüge. Es gibt verschiedene Möglichkeiten des Zählens. Üblicherweise beginnt der Ablauf mit einer Ausatmung. Dann kommt – ohne Pause – eine Einatmung, und es wir nach dem Einatmen gezählt, jedoch ohne die Luft anzuhalten. Die meisten Menschen finden es allerdings einfacher, mit dem Ablauf beim Einatmen zu beginnen, normal auszuatmen, dann etwas innezuhalten und in der Pause zu zählen. Einer der beiden Methoden folgend, zählen wir nun bis elf und wiederholen dann diesen Zyklus zwei- bis dreimal, je nach Atemgeschwindigkeit. Bitte tun Sie das jetzt!

Wir zählen übrigens den Atem nur dann, wenn der Geist abgelenkt ist. Ist das nicht der Fall, gibt es keinen Grund zu zählen. Dann können wir uns einfach auf die Wahrnehmung des Atems konzentrieren, wie er ein- und ausfließt, während wir normal atmen. Wir können entweder auf den Boden hinunterschauen oder die Augen schließen. Es ist jedoch besser, die Augen offen zu halten. Sind die Augen leicht geöffnet, bleiben wir geerdet. Das ist besser, als sich von den anderen Menschen abzugrenzen und in ein Fantasieland des Geistes abzudriften. Im Mahayana wird Wert darauf gelegt, mit den Menschen in Verbindung zu bleiben. Deshalb wird in den Methoden des Mahayana betont, dass die Augen geöffnet und nicht geschlossen sein sollten.

Unsere Motivation nochmals bestätigen

Als nächstes prüfen und bestätigen wir unsere Motivation warum wir hier sind. Im Buddhismus bedeutet „Motivation“ nicht nur das, was es in unseren westlichen Sprachen heißt. In den westlichen Sprachen bezieht sich der Begriff „Motivation“ normalerweise lediglich auf die emotionalen Beweggründe, die hinter dem stehen was wir tun. Der Schwerpunkt liegt also mehr im Psychologischen oder Emotionalen. Unsere psychologische Orientierung ist zwar wichtig, aber im Buddhismus bezieht sich Motivation primär auf unsere Absicht. Was ist unser Ziel? Was möchten wir durch unser Kommen erreichen? Wenn wir uns zum Meditieren oder zum Studium hinsetzen oder zu einer Unterrichtsstunde gehen, müssen wir uns noch einmal verdeutlichen, was wir erreichen möchten. Und daraufhin, als Unterstützung unseres Ziels, bekräftigen wir noch einmal die Gründe, warum wir dieses erreichen möchten, und zwar sowohl die rationalen als auch die emotionalen.

Was wir versuchen, wenn wir einen Lehrrede anhören oder darüber meditieren, was wir daraus lernen, ist Teil eines ganzen Prozesses, den ich „im Leben in eine heilsame und positive Richtung gehen“ nenne. Für gewöhnlich wird es „Zuflucht nehmen“ genannt. Die meisten von uns hier haben diese Richtung, die wir sehr bewusst gewählt haben, in ihrem Leben eingeschlagen. Diese Richtung wird durch den Dharma aufgezeigt. „Dharma“ bezieht sich auf den ganz und gar verwirklichten Zustand eines Buddhas, in dem alle Mängel und Begrenzungen des Geistes abgebaut und alle positiven Qualitäten und Potenziale ganz verwirklicht wurden. Das ist es, was wir erreichen wollen. Die Lehren zeigen lediglich auf, wie es gemacht wird.

Die Buddhas weisen diese Richtung, da sie diesen vollkommen reinen und verwirklichten Zustand vollständig erreicht haben. „Sangha“ bezieht sich auf die hoch verwirklichten Wesen, die Aryas, jene, die bereits die einfache, nichtkonzeptionelle Wahrnehmung der Leerheit erreicht haben. Sie haben bereits einen gewissen Grad an Reinheit erreicht. Sie haben dauerhaft einige der Begrenzungen überwunden und einige der positiven Potenziale des Geistes verwirklicht. Sie haben tatsächlich schon etwas erreicht.

Die klösterliche Gemeinschaft ist ein Symbol, das den Sangha symbolisiert. Das Wort Sangha für Menschen, die in ein Dharma-Zentrum gehen zu verwenden ist nur im Westen Sitte. In den buddhistischen Wortlaut übersetzt würde es „Kirchengemeinde“ bedeuten. Das hat überhaupt nichts mit dem traditionellen Buddhismus zu tun. Auch wenn die Gemeinschaft eines Dharma-Zentrums wichtig ist, ist sie sicherlich kein Zufluchtsobjekt. Menschen, die in ein Dharma-Zentrum kommen, können recht verwirrt sein. Ein Zentrum ist einfach eine Gruppe von Menschen, die vielleicht, vielleicht aber auch nicht, in Richtung Befreiung und Buddhaschaft unterwegs ist. Das Sangha-Juwel sind jene, die schon bestimmte Schritte in diese Richtung getan haben. Es ist wichtig, das zu verstehen.

Es ist sehr interessant, dass ausdrücklich gesagt wird, dass, wenn wir die sichere Ausrichtung annehmen, diese nicht von der Persönlichkeit des Buddhas oder der Aryas kommt. Die Persönlichkeit ist sehr veränderlich. Das, was die sichere Ausrichtung bietet, sind deren Verwirklichungen und die Zustände, die sie durch die Beseitigung ihrer Mängel erreicht haben.

Und in der tibetischen Formulierung der Zuflucht, die den Guru mit einschließt, nimmt man niemals Zuflucht zu der Persönlichkeit eines Gurus. Vielmehr repräsentiert der Guru die Buddha-Natur und die Möglichkeit, an der vollständigen Verwirklichung der Buddha-Natur zu arbeiten, sich zu läutern und diese zu erreichen. Das ist es, was der Buddha repräsentiert. Das ist so wichtig, denn wenn es klar ist, dass unsere Ausrichtung im Leben nichts mit der Persönlichkeit von Menschen, der Politik von Dharma-Zentren, mit all dem samsarischen Krempel zu tun hat, dann ist unsere Zufluchtnahme sehr stark. Es sind Buddha, Dharma und die hoch verwirklichten Wesen. Wie ich ganz oft sage: Was erwarten Sie von Samsara? Samsara bringt uns Müll und Leid. Die Ausrichtung unseres Lebens wird nicht vom Samsara aufgezeigt. Das muss eindeutig klar sein.

Also ist es ein Schritt in unsere positive Richtung wenn wir zu dieser Belehrung kommen. Wir bekräftigen damit unsere Zuflucht. Wir möchten erreichen, uns von all dem Müll in unserem Geist zu reinigen und all unsere positiven Potenziale zu verwirklichen, so wie es die Buddhas in vollkommener Weise getan haben, und auf die Weise, wie die hoch verwirklichten Wesen es begonnen haben. Der emotionale Rückhalt dafür sind unsere Abscheu vor und unser Widerwillen gegen das unkontrollierbaren Wiederauftreten von Samsara und das Vertrauen, dass uns das Hinwenden zu dieser sicheren Ausrichtung in die Lage versetzt, dem zu entkommen.

Wir bekräftigen auch unser Bodhichitta. Wenn wir zu einem Vortrag über Karma kommen und etwas über Karma lernen, ist es unser Ziel, fähig zu werden, anderen so gut wie möglich zu helfen. Was hält uns davon ab, anderen so gut als möglich zu helfen? All dieser karmische Müll, den wir erleben. Deshalb wollen wir lernen, wie wir Karma verstehen und überwinden können, um fähig zu sein, anderen noch besser helfen zu können. Das ist unser Ziel. Das ist es, was wir bekräftigen. Zweitens müssen wir auch unsere Liebe und unser Mitgefühl bekräftigen und stärken; diese sind unser emotionaler Rückhalt für unser Ziel, die Erleuchtung zum höchsten Wohle aller zu erreichen.

Wenn wir dies alles vor der Meditation tun, macht das unsere Meditation viel bedeutungsvoller. Wir wissen, was wir erreichen wollen. Deshalb haben wir uns hierhin gesetzt. Es geht nicht um andere Faktoren, wie z. B. dass wir uns verpflichtet fühlen oder es mechanisch tun – wobei es auch wichtig ist, darauf zu achten. Unser Ziel ist entscheidend. Die Frage ist: Was mache ich hier und warum? Wir müssen uns unserer Gründe bewusst werden. Wenn wir uns darüber im Klaren sind, dann müssen wir sie bekräftigen. Das ist ein sehr bedeutungsvoller Schritt. Es ist nicht trivial. Es ist nicht das bloße Rezitieren eines Verses. Lassen Sie uns das einen Moment lang tun.

Die siebengliedrige Praxis

Dann machen wir die siebengliedrige Praxis. Das kann in sehr ritueller Weise durchgeführt werden, und das hat sicherlich seinen Vorteil, aber wir müssen uns über das, was wir tun, klar sein. Also lassen Sie es mich erklären. Und lassen Sie mich anstelle traditioneller Erklärungen eine bodenständigere, praxisnahe Erklärung geben.

Es wird immer gesagt, dass die erste tägliche Praxis eines Anfängers diese siebengliedrige Praxis sei. An diesem Wochenende sprechen wir über Karma. Was für ein Karma bauen wir auf, wenn wir diese Art der Praxis ausführen? Wenn es mit einer Bodhichitta-Motivation getan wird, was bedeutet, dass wir jede positive Kraft, die aus dieser Praxis kommt, der Erleuchtung widmen, dann wirkt sie als eine Ursache für Erleuchtung. Wenn wir sie dem nicht widmen, wenn wir dieses Ziel nicht zu Beginn und beim Beenden der Praxis haben, dann machen wir einfach etwas Positives. Worauf läuft das dann hinaus? Wir werden einfach eine schöne Zeit innerhalb von Samsara zu haben. Das ist nicht das, was wir wollen, nicht wahr?

Niederwerfung

Als erstes praktizieren wir die Niederwerfung. Nachdem wir uns die Richtung verdeutlicht haben, in die wir gehen möchten – nämlich, Erleuchtung zu erlangen, um anderen bestmöglich helfen zu können, und nicht nur um eine gute Zeit zu haben – katapultiert uns die Niederwerfung vollends in diese Richtung. Wir schicken uns selbst in diese Richtung, indem wir jenen Respekt zollen, die diese Richtung gegangen sind und sie erreicht haben, indem wir unserer eigenen künftigen Erleuchtung, die wir mit Bodhichitta erreichen wollen, Respekt zollen und unseren Buddha-Naturen Respekt zollen, die uns dazu befähigen, dieses Ziel zu erreichen. Auf diese Weise zollen wir der Ebene des Resultats, der Ebene des Pfades und der Ebene der Basis Respekt.

Dann betrachten wir die Symbole, die wir benutzen, um uns selbst an die Quelle unserer sicheren Richtung zu erinnern – ein Gemälde oder eine Statue, meist von Buddha – und wir vergegenwärtigen uns, was dieses Symbol bedeutet: die Qualitäten des Körpers, der Sprache und des Geistes eines Buddha. Das ist es, was wir erreichen wollen, um anderen so gut als möglich helfen zu können. Mit dieser Einstellung machen wir die Niederwerfung. Dann ist sie sehr bedeutungsvoll. Wir sind „mit Leib und Seele“ dabei. Wir werfen uns nicht einfach gedankenlos nieder.

Wenn wir das siebengliedrige Gebet durchführen, stellen wir uns vor, wie wir uns niederwerfen. Zu einem anderen Zeitpunkt werfen wir uns körperlich nieder, rezitieren Verse – die Sprache spielt dabei keine Rolle – und denken an die Drei Juwelen als etwas, das wir erreichen wollen und dass wir zuversichtlich sind, dass wir sie, mit Bodhichitta auf der Basis unserer Buddha-Naturen erreichen können. Auf diese Weise „werfen“ wir unsere Worte und unsere Gedanken, genauso wie unseren Körper in diese Richtung. Lassen Sie uns das visualisieren.

Opfergaben darbringen mit den Opfergaben des Samadhi

Wenn wir Gaben darbringen, geht es hauptsächlich auch um Zuflucht und Bodhichitta. Was sind wir bereit zu geben, um in diese sichere Richtung gehen, Erleuchtung erlangen und anderen nützlich sein zu können? Eine Schale Wasser ist nicht sehr bedeutsam. Wasser symbolisiert nur etwas. Wir selbst sind es, was wir bereit sind zu geben. Wir sind bereit, unsere Zeit, unsere Energie, all unsere Bemühungen und unsere Herzen zu geben, um in diese Richtung zu gehen, um an uns selbst zu arbeiten um fähig zu sein, anderen immer besser helfen zu können.

Das kann aufwändig oder einfach geschehen. Oftmals bringen wir sieben Wasserschalen dar. Das kann die sieben Gleide dieser siebengliedrigen Praxis symbolisierenn. Auf einem anderen Ebene gibt es das, was äußere Gaben genannt wird: Das sind Darbringungen von Wasser, Blumen, Räucherwerk und so weiter. Es gibt eine sehr schöne Lehrrede von einem Sakya-Meister, Chögyal Pagpa (Chos-rgyal ´Phags-pa). Er war der Lehrer von Kublai Khan. Chögyal Pagpa brachte den Buddhismus in der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts zu den Mongolen. Er lehrte, dass diese sieben Opfergaben eine tieferen Symbolgehalt haben, die er die „Opfergaben des Samadhi, die vertiefte Konzentration“ nannte. Mit anderen Worten: wenn wir die Opfergaben darbringen, konzentrieren wir uns darauf, was diese Dinge symbolisieren. Ich empfinde das im Rahmen der siebengliedrigen Praxis als sehr hilfreich. Es macht sie bedeutungsvoller.

Die erste Opfergabe ist Wasser. Wasser symbolisiert unser Studieren und Lernen. Wir werden alles, was wir jemals studieren oder lernen, nutzen, um fähig zu werden, anderen zu helfen. Wir lesen nicht nur Comics um uns die Zeit zu vertreiben, sondern Dinge, die wichtiger sind, die uns lehren, wie wir anderen helfen, wie wir uns selbst verstehen und an uns selbst arbeiten können. Das ist es, was wir darbringen. Und wir bringen dies nicht nur den Buddhas dar. Wir bringen es allen dar, denjenigen, denen wir helfen wollen. Wir bringen alles, was wir gelernt haben den anderen dar. Dies werden wir verwenden, um allen zu helfen.

Als nächstes kommen Blumen. Blumen wachsen durch Wasser. Was aus all unserem Studieren und Lernen erwächst, ist unser Wissen. Wir bringen dies in Form von Blumen dar.

Räucherwerk symbolisiert ethische Disziplin, die ethische Disziplin, die wir nutzen werden um anderen zu helfen. Wir können nicht einfach fortfahren, uns so zu verhalten wie wir das schon immer getan haben. Wir werden uns selbst disziplinieren, um auf eine heilsame, helfende Weise zu handeln und niemanden zu verletzen. Wir bringen dieses Selbstverpflichtung den Buddhas, uns selbst und unseren Lehrern dar. Die Buddhas brauchen unsere Disziplin nicht. Wir sagen zu den Buddhas und unseren Lehrern: „ Das werde ich tun.“ Wir bringen unsere Disziplin und unsere Dienste dar. Räucherwerk hat übrigens einen wunderbaren Geruch. Wenn jemand eine reine ethische Disziplin einhält, verströmt er einen wunderbaren Duft, der als der „Duft der ethischen Disziplin“ bekannt ist. Deshalb symbolisiert Räucherwerk eine Gabe reiner ethischer Disziplin.

Die nächste Opfergabe ist das Licht, symbolisiert durch Butterlampen, Kerzen und ähnliches. Es symbolisiert die Einsichten, die wir erlangt haben und die wir verwenden wollen, um andere zu erleuchten.

Das nächste ist Duftwasser oder Kölnischwasser, duftendes Wasser, um den Körper zu besprenkeln und ihn zu erfrischen. Dies symbolisiert eine feste Überzeugung. Wir haben studiert und gelernt (Wasser), wir haben Wissen erlangt (Blumen), wir üben Disziplin (Räucherwerk), um darüber zu meditieren und es zu benutzen, um anderen zu helfen. Und mit dieser Disziplin haben wir etwas Einsicht und Verständnis erlangt (Licht). Jetzt haben wir bezüglich der Lehren eine feste Überzeugung (Kölnischwasser). Es erfrischt uns von Zweifeln und schwankender Unentschlossenheit. Das ist eine großartige Gabe. Wenn wir basierend auf realistischem Verstehen und Erfahrung eine feste Überzeugung haben, nicht einfach Fanatismus, wird dies wiederum auch anderen helfen, Vertrauen, Sicherheit und Stärke zu bekommen.

Nahrung symbolisiert tiefe Konzentration. Wenn wir sehr hohe Stufen der Meditation erreichen, werden wir von unserer tiefen Konzentration genährt und brauchen keine Nahrung. Nur wenn wir in Bezug auf die Lehren eine feste Überzeugung haben, können wir unsere tiefe Konzentration einspitzig darauf ausrichten. Wenn wir Zweifel haben, können wir keine tiefe Konzentration anwenden. Wenn wir anderen helfen, müssen wir konzentriert sein und können nicht an etwas anderes denken oder einschlafen. Wir müssen präsent sein. Das ist eine großes Geschenk, das man anderen anbieten kann.

Die letzte Opfergabe ist Musik, die tatsächliches Lehren und Erläuterungen symbolisiert. Es muss keine formelle Lehrrede oder tiefgründig und ernst sein. Es kann einfach sein, dass man auf bedeutungsvolle Weise von Herz zu Herz spricht ohne Übertreibung oder Scheu. Das ist die schönste Musik, die wir anderen geben können.

Diese Darbringungen können sehr weitreichend sein. Sie sind nicht bloß trivial. Natürlich können wir einfach Blumen, Wasser und Räucherwerk geben um eine schöne Atmosphäre schaffen. Es gibt diese Bedeutungsebene, aber wir müssen verstehen, dass es von allem im Dharma viele Bedeutungsebenen gibt. Das ist hilfreich, um anzufangen, zu tieferen Ebenen vorzudringen.

Wie ich schon erklärt habe, im Allgemeinen sagen wir, dass wir bereit sind, alles zu geben, unsere Zeit, unsere Energie, oder was immer nötig ist, um anderen zu helfen. Shantideva, der große indische Meister, definiert als Geisteshaltung der Großzügigkeit die „Bereitschaft zu geben“, egal ob wir etwas zu geben haben oder nicht. Andernfalls könnten sich arme Leute nicht entwickeln. Sicherlich können wir unsere Energie, Zeit und unser Herz dieser sicheren Richtung hingeben, um an uns zu arbeiten, um fähig zu sein, anderen besser zu helfen.

Unserer Fehler und Mängel offen eingestehen

Die dritte Stufe der Praxis wird üblicherweise als „Beichte“ übersetzt. Aber das bringt unnötige und vielleicht irreführende Assoziationen von nicht-buddhistischen Glaubenssystemen mit sich. Um genau zu sein, geben wir offen zu, dass wir nicht immer in der Lage sind anderen zu helfen. Manchmal sind wir faul, abgelenkt, selbstsüchtig und so weiter. Im Zusammenhang mit Karma geben wir zu, dass wir manchmal sehr destruktiv handeln, dies aber bereuen und wahrhaftig wünschen, dass wir nicht so sein mögen. Es ist nicht so, dass wir uns schuldig fühlen müssten. Wir möchten einfach nicht so sein. Das etwas ganz anderes als Schuld.

Dann sagen wir, dass wir so gut wir können versuchen werden, es nicht zu wiederholen. Wir werden es versuchen. Wir können nicht versprechen, niemals wieder destruktiv zu sein. Das wäre absurd. Aber wir werden es versuchen. Wie können wir es überwinden? Indem wir in die sichere Richtung von Zuflucht und Bodhichitta gehen. Wir bekräftigen, dass es das ist was wir tun werden. Das ist unsere Grundlage. Dann wenden wir schließlich entgegengesetzte Kräfte ein, um unseren Fehlern und Mängeln entgegenzuwirken. Das heißt, wir werden alles, was wir hier lernen als Gegenmittel einsetzen. Wir werden es nutzen, um in diese Richtung zu gehen, nicht einfach so grundlos. Das ist das dritte Glied dieser Praxis, offenes Eingestehen unserer Fehler und Mängel.

Sich erfreuen

Die vierte Stufe ist sich zu erfreuen. Ich finde, für uns als Westler ist es sehr wichtig, hier die Reihenfolge zu ändern. Normalerweise freuen wir uns zuerst über die Buddhas und so weiter. Weil viele von uns ein Problem mit geringem Selbstwert haben glaube ich, dass es für uns wichtig ist, dass wir, nachdem wir unsere Mängel aufgezeigt haben, uns zuerst über unsere guten Eigenschaften freuen. Wir haben zugegeben, dass wir manchmal destruktiv und selbstsüchtig handeln, aber manchmal handeln wir auch konstruktiv. Wir müssen das bestärken und uns über alles Positive und Konstruktive, das wir jemals getan haben, freuen. Auf einer grundlegenderen Ebene haben wir alle Buddha-Natur. Das bedeutet, dass wir alle fähig sind zu helfen, mitfühlend und verständnisvoll zu sein. Das ist fantastisch. Es ist wundervoll. Es ist die Grundlage, auf der wir wachsen und Buddhas werden können durch all die positiven und konstruktiven Dinge, die wir tun. Es ist wichtig, sich selbst und unseren Fähigkeiten gegenüber ein gutes Gefühl zu haben, nachdem wir unsere Mängel bekannt haben.

Dann freuen wir uns über die Buddhas, jenen, die bereits ihre Buddha-Natur verwirklicht haben und den anderen, die schon auf diese Richtung hingearbeitet haben. „Ich freue mich für dich! Du hast es geschafft! Bravo!“ Aber mehr als das, wir freuen uns über die Tatsache, dass sie uns gelehrt haben, wie man es macht. Darüber freuen wir uns ganz außerordentlich. „Ich kann euch nicht genug dafür danken, Ihr Buddhas und großen Meister von Indien und Tibet, dass Ihr dies gelehrt, erklärt und niedergeschrieben habt. Das ist unglaublich wunderbar und gütig! Danke! Ich bin zutiefst dankbar dafür.“ Dieses Gefühl wollen wir hier entwickeln. Sie hätten auch einfach Verwirklichung erlangen und dann in ein Buddhafeld verschwinden können um sich auszuruhen und sich nicht mit uns herumzuschlagen.

Bitte um Belehrung

Das nächste Glied ist die Bitte um Belehrung. Es wird gewöhnlich „das Rad des Dharma drehen“ genannt, aber das hört sich sehr abstrakt an. Wir sind so dankbar, dass die Buddhas gelehrt haben. Nun sagen wir: „Bitte unterrichte mich! Ich möchte lernen. Ich bin ganz empfänglich.“ Wir können das vor einer Unterrichtsstunde, vor einer Meditation oder vor dem Studieren eines Dharmatextes zuhause tun. Es ist nicht so, dass wir jemanden darum bitten würden, uns etwas zu gewähren. Aber indem wir diese Bitte aussprechen, inspirieren wir uns selbst. Wir möchten etwas erreichen, etwas lernen. Können Sie erkennen, wie dies einen empfänglicheren Geisteszustand erzeugt?

Die Lehrer ersuchen, nicht wegzugehen

Im sechsten Glied werden die Lehrer flehentlich gebeten, nicht ins Parinirvana einzutreten, also nicht weg zu gehen. Was heißt das auf einer praktischen Ebene? Es bedeutet, zu den Buddhas und Lehrern zu sagen: „Ich meine es ernst. Geht nicht weg. Lehrt mich den ganzen Weg bis zu meiner Erleuchtung. Ich möchte den ganzen Pfad gehen. Verlasst mich nicht mittendrin.“ Das ist der Kernpunkt: wir werden es wirklich tun, egal wie lange es dauert, egal wie viele Lebensspannen es dafür braucht.

Widmung

Die letzte Stufe ist die Widmung. Das ist die wichtigste aller Stufen. Wir widmen uns und allen anderen jegliche positive Kraft und jegliches tiefes Gewahrsein, das aus dieser Praxis erwachsen ist, um zum Wohle aller die Erleuchtung zu erreichen.

Schlussfolgerung

Wir praktizieren diese siebengliedrige Praxis vor einer Unterrichtsstunde, bevor wir studieren, meditieren oder etwas anderes Positives tun. Auch wenn wir den größten Teil des Abends mit diesem Thema verbracht haben, obwohl dies ein Seminar über Karma ist, so beginnen wir damit schon mehr Betonung auf die Praxis statt auf die Theorie zu legen und das ist gut so.

Der Hauptpunkt ist, dass wir nicht einfach „gutes Karma machen“ wollen. Wir möchten erleuchtungsbildende Handlungen ausführen. Wenn wir also diese siebengliedrige Praxis als erleuchtungsbildende Handlung durchführen, ist das als tägliche Praxis fantastisch. Es muss nicht sehr lange dauern. Es kann in einer Minute geschehen, oder in einer halben Stunde oder Stunde. Es kommt darauf an, wie wir es machen wollen. Wenn wir Verse rezitieren wollen, wunderbar. Wir können einige Verse rezitieren, nachdem wir in unseren Herzen ihre Bedeutung erzeugt haben. Wenn wir zuerst die Bedeutung erzeugen, dann sind die Verse nicht einfach leer. Die siebengliedrige Praxis ist schon für sich selbst genommen eine wichtige Praxis, auch wenn wir sonst keine andere formelle Meditation praktizieren.

Bitte trivialisieren Sie die siebengliedrige Praxis nicht. Es ist sehr leicht, sie zu trivialisieren, genauso wie das auch bei der Zuflucht leicht passiert.

Fragen zum Thema Darbringungen

Manchmal nehmen wir acht Schalen und die ersten zwei enthalten Wasser, dann kommen die Blumen und so weiter. Warum ist das so?

Es gibt in den buddhistischen Traditionen für alles unterschiedliche Arten es zu tun, und deshalb gibt es keine „richtige“ Art und Weise. Es ist sehr wichtig, das zu begreifen. Wir tendieren hier im Westen auf eine biblische Art zu denken: eine Wahrheit, ein Gott, eine richtige Art und alles andere ist falsch, Häresie. Acht Wasserschalen beinhalten zwei Darbringungen von Wasser, bei neun, drei Wasserdarbringungen, bei zehn sind es vier Wasserdarbringungen und so weiter.

Auf der eher wörtlichen Ebene laden wir die Buddhas und Bodhisattvas ein, in unser Haus zu kommen, als würden sie barfuß auf einer staubigen und heißen indischen Straße daherkommen. Zuerst geben wir ihnen Wasser zum Trinken. Dann geben wir ihnen Wasser, um sich die Füße zu waschen. Das ist der Grund weshalb wir nur zwei Schalen mit Wasser darbringen. Die dritte wäre dazu da, sie mit einer Dusche mit Wasser zu besprenkeln. Als nächstes laden wir sie zu einem Essen ein und die vierte Wasserschale wäre vorgesehen, damit sie sich den Mund waschen können.

Auf dem Tisch haben wir wunderschöne Blumen. Die Inder streuen oft Blumen auf den Fußboden, wenn verehrte Gäste zum Essen kommen. Oder sie legen eine Blumengirlande aus Ringelblumen um den Hals ihrer Gäste. Dann werden sie Räucherwerk entzünden. Wenn es sich um einen Guru handelt, wird es oft so gemacht, dass das Räucherwerk entzündet und er damit an den Tisch geleitet wird, oder sie stellen Räucherwerk am Tisch auf, damit es gut duftet. Dann entzünden sie eine Kerze am Tisch. Das Kölnischwasser ist wie eine Serviette, die einen guten Duft trägt. Wir haben ähnliche Bräuche, nicht wahr? Dann bieten wir schönes Essen und gute Musik an. Das ist der eigentliche Ursprung dieser Darbringungen – sie sind das, was wir geben würden, wenn wir die Buddhas und Bodisattvas in unserem Haus begrüßen würden, so dass sie sich wohl und behaglich fühlen.

Solche Opfergaben darzubringen ist eine sehr gute Art und Weise und zwar nicht nur, um die Lehrer und die Buddhas zu erfreuen, sondern auch wir versuchen, während wir uns all das vorstellen, es selbst zu genießen und dadurch Freude auf eine nichtstörende Art zu empfinden. Wir beschweren uns nicht, dass die Blumen nicht schön genug sind, dass das Räucherwerk uns zum Husten bringt und das Essen uns dick macht und so weiter. Keine dieser Sorgen ist da, nur einfach purer Genuss und Freude. Kein Zweifel: dies zu kultivieren ist wunderbar.

Nicht in allen Schüsseln ist Wasser. Einige enthalten Reis. Was bedeutet der Reis? Sollten die Schalen mit den Blumen Wasser oder Reis enthalten?

Beides ist in Ordnung. Die Blumen, die die Tibeter normalerweise verwenden, sind gewöhnlich diese getrockneten (zarten) Samenhülsen, die man im Süden Indiens findet. Sie vertragen Wasser nicht besonders gut. Diese oder auch ein Stück entzündetes Räucherwerk würden wir nicht in eine Wasserschüssel geben wollen. Es sind also praktische Gründe, weshalb wir dafür Reis verwenden. Es macht nichts aus.

Ich kann nicht oft genug betonen, dass es viele verschiedene Möglichkeiten gibt, die gleiche Sache zu tun. Wenn wir in ein anderes Zentrum oder in Indien in ein anderes Kloster gehen und wir dort sehen, dass es leichte Unterschiede gibt, müssen wir uns nicht rechthaberisch aufregen, dass sie es „falsch“ machen und unsere Art es zu tun die „Richtige“ sei. Sogar innerhalb derselben Tradition führen verschiedene Klöster die Dinge auf unterschiedliche Weise aus. Bei den Opfergaben ist der Geisteszustand wichtig und dass man eine gewisse Form oder Struktur hat, die zumindest respektvoll und ästhetisch ansprechend ist, weil wir ja Freude im Geist erzeugen wollen.

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