Sensibilitätsprobleme & das Training im Überblick

Der Zusammenhang zwischen Sensibilitätstraining und buddhistischen Lehren

Das von mir ausgearbeitete Programm „Ausgewogene Sensibilität entwickeln“ basiert auf buddhistischen Lehren und so entstammen all die verschiedenen Übungen buddhistischen Quellen; jedoch erfordert diese Art des Trainings keinen buddhistischen Hintergrund oder buddhistischen Kontext, wenn man es praktizieren möchte. Im Wesentlichen habe ich es ausgearbeitet, weil viele Menschen, die Probleme in ihrem Leben haben, nicht so recht wissen, wie sie die buddhistischen Lehren dafür nutzen können, sich selbst zu helfen. Auch Menschen, die nicht bereits Buddhismus praktiziert haben, stoßen auf diese Probleme und es ist nicht immer einfach, Methoden zu finden, um mit diesen Problemen umgehen zu können. Dabei handelt es sich um Probleme, die etwas mit Sensibilität zu tun haben.

Wenn man dafür buddhistische Methoden nutzen möchte, besteht die Schwierigkeit darin, dass es weder im Sanskrit, noch in der tibetischen Sprache ein Wort für den Begriff Sensibilität gibt. Um nun in der buddhistischen Tradition Methoden finden zu können, die uns bei dieser Art von Problemen helfen, ist es notwendig herauszufinden, welche Faktoren eigentlich für Sensibilität von Bedeutung sind.

Video: Dr. Chönyi Taylor — „Buddha, der erste Psychologe“ 
Um die Untertitel einzublenden, klicken Sie auf das Untertitel-Symbol unten rechts im Video-Bild. Die Sprache der Untertitel kann unter „Einstellungen“ geändert werden.

Aufmerksamkeit und Empfänglichkeit

Wenn wir das genauer untersuchen, zeigt sich, dass es im Grunde zwei Komponenten gibt, die beim Training unserer Sensibilität eine Rolle spielen. Es handelt sich (1) um Aufmerksamkeit, d.h.: auf welche Art und Weise wir aufmerksam sind, und (2) um unsere Art der Reaktion, d.h. wie wir auf etwas eingehen. Wenn wir hier von Sensibilität reden, geht es natürlich um emotionale Sensibilität, nicht um Allergien und diese Art von Sensibilität. Die Art und Weise, wie wir aufmerksam sind, beinhaltet allerlei Schwierigkeiten. Entweder sind wir zu aufmerksam oder nicht aufmerksam genug; und wenn wir auf etwas reagieren, ist es oft so, dass wir entweder überreagieren oder aber nicht genug, oder gar nicht. Wir reden hier über die Bereiche (1) der Wirkung unseres Verhaltens – und zwar auf andere und auf uns selbst – und (2) der jeweiligen Situationen: die Situation anderer und unsere eigene Situation.

Wenn man all diese Faktoren zusammen betrachtet, gibt es wirklich sehr Vieles, was problematisch sein kann. Es kann z.B. sein, dass wir der Wirkung unseres Verhaltens auf andere nicht genügend Aufmerksamkeit schenken, oder wir sorgen uns zu sehr um die Wirkung, die es auf andere hat. Jemand sagt etwas zu uns und wir fühlen uns sehr schnell verletzt und reagieren unverhältnismäßig stark. Oder aber es ist uns egal, was andere Leute denken und ob wir sie eventuell stören oder Ähnliches. Vielleicht merken wir auch, was vor sich geht, handeln jedoch nicht, oder wir handeln, tun es aber ohne Gefühl; vielleicht ist unser Urteil, wie wir reagieren, oder wie wir mit der Situation umgehen, einseitig. Bei all diesen Schwierigkeiten geht es um die Sensibilität.

Warum das Programm entwickelt wurde

Ich habe dieses Programm Ende der neunziger Jahre entwickelt und als ich mich damit beschäftigte und über die verschiedenen Probleme der Menschen nachdachte, galt mein Anliegen in erster Linie der Art und Weise, wie sie normalerweise im Alltag – bei der Arbeit, in ihrer Familie, mit ihren Freunden usw. – interagieren. Daher habe ich dieses Programm entwickelt und es besteht aus 22 Übungen. Es ist ein sehr reichhaltiges Programm und ich werde nur einen kleinen Teil davon beschreiben.

Wenn man einmal wöchentlich an einem Unterricht dazu teilnimmt, braucht man drei Jahre dafür und man geht dabei Schritt für Schritt, sehr sorgfältig und langsam vor. In Berlin habe ich dieses Programm zweimal für jeweils drei Jahre unterrichtet, weltweit habe ich in vielen Ländern einführende Vorträge dazu gehalten und die Menschen finden es sehr wirksam.

Aber die Zeiten haben sich geändert. Als ich das Programm entwickelt habe, gab es noch keine internet-gestützten sozialen Netzwerke; es gab keine SMS (Kurzmitteilungen per Mobilfunk) und die stets nebenher laufende Beschäftigung mit digitalen Medien war noch nicht so verbreitet – alles Dinge, die heutzutage für viele Menschen eine große Rolle spielen. Für die Menschen der heutigen Zeit scheinen solche Programme sogar noch notwendiger zu sein als früher, denn als Folge all der technischen Fortschritte gibt es inzwischen noch mehr Unausgewogenheit hinsichtlich der Sensibilität. Ich habe eine Liste mit einigen Beispielen von Unausgeglichenheit zusammengestellt, die man sich in unserer modernen Zeit der sozialen Netzwerke schnell und leicht in den Sinn rufen kann.

Unausgewogene Sensibilität im Zeitalter der sozialen Netzwerke

Weit verbreitet sind z.B. folgende Situationen: Wir sind mit einer Person zusammen, schreiben aber zur gleichen Zeit einem anderen Freund SMS-Nachrichten oder telefonieren mit ihm. Wir sind gegenüber der Realität der ersten Person völlig unsensibel, es ist, als würde sie nicht mehr existieren oder in dem Moment völlig unwichtig, und als wäre das Senden einer Nachricht an diesen anderen Freund, das Twittern oder was auch immer, wichtiger. Das ist sehr unsensibel, nicht wahr?

Auch mit der Aufmerksamkeit gibt es dabei ziemliche Probleme: Wir schenken der anderen Person, mit der wir zusammen sind, keine Aufmerksamkeit. Oder wir schauen ständig auf unsere Nachrichten und social media feeds oder Ähnliches. Es gibt junge Leute, die mit ihrem Mobiltelefon neben sich schlafen und nicht einmal richtig schlafen. Daran können wir sehen, dass sie der Wirkung dieses Verhaltens auf sich selbst keine Beachtung schenken, denn am nächsten Tag sind sie ganz müde und es fällt ihnen schwer, sich in der Schule oder auf der Arbeit zu konzentrieren. Anscheinend sind wir übermäßig sensibel in dem Sinne, dass wir unbedingt wissen wollen, was alle anderen denken und was sie gerade tun. Wir wollen ständig ihre Tweets, Instagram, Facebook-Seiten und all das ansehen, aber im Grunde sind wir ihnen gegenüber unsensibel, denn unser Hauptinteresse gilt uns selbst: „Ich möchte nichts verpassen.“ Ist es nicht so?

Außerdem tun wir ständig Mehreres gleichzeitig. Man sieht Menschen herumlaufen, die ständig Kopfhörer aufhaben und Musik auf ihrem iPod hören, egal wie viele andere Dinge sie sonst noch gerade tun. Was ist das Resultat davon? Das Resultat ist, dass ihre Aufmerksamkeit ständig geteilt ist. Sie können nie ihre ganze Aufmerksamkeit auf das richten, was um sie herum passiert, auf andere Menschen oder Ähnliches.

Die Auswirkungen von Unsensibilität

Im Internet habe ich in den Nachrichten kürzlich gelesen, dass es in einer U-Bahn einen Mord, eine Schießerei gegeben hat. Ich habe vergessen wo genau es war: in New York, San Francisco oder einer anderen solchen Stadt. Es gab eine Überwachungskamera, auf der man die Menschen in der U-Bahn sehen konnte. Die meisten von ihnen waren so sehr mit ihrem Handy beschäftigt, sie schrieben gerade Nachrichten, spielten Spiele oder dergleichen und waren in ihrer eigenen kleinen Welt, dass sie nicht einmal mitbekamen, als im gleichen Waggon ihrer U-Bahn jemand getötet wurde. Sie haben nicht einmal aufgeschaut. Das ist ein extremes Beispiel von Unsensibilität: wenn man auf nichts anderes achtet und sich vollkommen in seine eigene kleine Welt zurückzieht, als würde es den Rest der Welt nicht geben.

Manchen Menschen fällt es schwer, tatsächlich auf aufrichtige menschliche Weise mit anderen umzugehen, und daher nehmen sie im Internet falsche Identitäten an und agieren mit anderen unter diesem falschen Namen. Oder aufgrund falscher Einschätzung reagieren sie auf andere auf eine Weise, die bei weitem nicht ausreichend ist; mit anderen Worten: Statt ein Gespräch mit jemandem zu führen oder wirklich auf jemanden einzugehen, schicken sie einfach bloß eine Textmeldung und vielleicht nicht einmal das, sondern stellen alles auf Twitter ins Netz, sodass die ganze Welt es sehen kann.

Das ist eine Unsensibilität für jeden Sinn von Privatsphäre, die jemandem wichtig sein mag. Des Weiteren gibt es das ganze Phänomen der „Gefällt mir“-Buttons auf Facebook und der Tatsache, dass es Menschen sehr viel bedeutet, wie viele „Gefällt-mir“-Signale sie bekommen haben, und sie ganz niedergeschlagen sind, wenn sie nicht genügend davon bekommen haben. Auch dabei geht es im Grunde wieder nur um sie selbst: „Wie viele Menschen mögen mich“? Oft hat dann unsere emotionale Reaktion nicht so viel damit zu tun, ob sie uns wirklich mögen oder nicht, sondern es geht vielmehr darum, wie viele „Gefällt-mir“-Klicks „ich“ bekomme und so dreht sich alles um „mich“.

Außerdem kommt es auch dazu, dass wir gegenüber unserer eigenen Situation unsensibel sind, wenn wir zu Hause sitzen und auf Facebook all die Bilder von den Urlaubsreisen anderer betrachten, was für eine schöne Zeit sie doch verbringen und „ich Armer sitze hier und schaue mir all das nur auf dem Computer an.“ So werden Menschen noch niedergeschlagener, überempfindlich gegenüber ihrer eigenen Situation, verschlimmert durch Facebook. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Menschen mehr noch als in der Vergangenheit ein Sensibilitätstraining brauchen, dass ihnen bei der Bewältigung ihrer Probleme hilft, die durch die Entwicklung der sozialen Netzwerke und Technologie immer schlimmer werden.

Die zwei Standbeine der Vorgehensweise beim Sensibilitätstraining

Was können wir tun? Wie gesagt gibt es in diesem Programm 22 Übungen, die stufenweise aufeinander aufbauen. Ich beschreibe das gesamte Training gern als auf zwei Beinen stehend: nämlich zwei grundlegenden Dingen, die notwendig sind. Das gesamte Trainingsprogramm hängt von diesen zwei grundlegenden Faktoren ab, die wir entwickeln müssen, nämlich das, was man einen „ruhigen Geist“ und ein „fürsorgliches Herz“ oder eine „teilnahmsvolle Geisteshaltung“ nennt.

Ein ruhiger Geist

Einen ruhigen Geist zu haben bedeutet, dass wir all die Unterhaltungen, Beurteilungen, Ablenkungen, all die Musik und was sonst noch in unserem Geist abläuft, zur Ruhe kommen lassen, sodass wir tatsächlich ruhig, aufmerksam und offen gegenüber einer anderen Person und gegenüber unseren eigenen Gefühlen sind.

Ursprünglich, als ich das Programm entwickelte, ging es mir um das Problem, sich zu sehr darum zu sorgen, es allen recht machen zu wollen, und dieses Problem besteht bei den Menschen natürlich weiterhin. Sie lassen ihre Sorgen darüber nie ganz zur Ruhe kommen, um sich zu fragen: „Was fühle ich eigentlich?“ Das passiert oft bei Menschen, die nicht nein sagen können und sich daher übernehmen. Das geschieht, wenn wir sozialen Austausch mit anderen haben; jedoch gibt es Menschen, die gar keinen sozialen Austausch pflegen. Wenn man ständig Musik hört, kann man nicht wirklich zur Ruhe kommen und sich fragen: „Was fühle ich eigentlich? Was sind meine Gefühle? Was sind meine Bedürfnisse?“ Es ist notwendig, die belanglosen Gedanken zur Ruhe kommen zu lassen.

Wenn wir wirklich persönlichen Austausch mit anderen haben, ist es wichtig, dabei nicht an etwas anderes zu denken, beispielsweise: „Wann wird diese Person endlich den Mund halten und mich in Ruhe lassen? Vielleicht gibt es eine Nachricht auf Facebook oder etwas dergleichen, das ich verpasse, weil ich meine Zeit damit vergeude, mich mit dieser Person zu unterhalten.“ Um diese Art von Gedanken geht es. Beispielsweise ist es auch sehr merkwürdig, wenn man sich mit jemandem unterhält und dann denkt: „He – das war super, was er oder sie gerade gesagt hat – ‘tschuldigung, Augenblick mal …“ Man sagt nicht einmal unbedingt „Entschuldigung“, sondern denkt bloß daran, dass man das in einem Tweet oder einer Textmeldung an andere schreiben muss. Das ist kein ruhiger Geist.

Ursprünglich bezog ich mich bei der Entwicklung des Programms eher auf urteilende Gedanken – „Ach ist das töricht, was diese Person gesagt hat“ – oder die Tendenz, Geschichten aus ihrer Vergangenheit hervorzukramen und nicht bei der Gegenwart zu bleiben. Auch das müssen wir natürlich auch zur Ruhe bringen. Zur „Ruhe“ bringen bedeutet nicht, dass wir dann gar nichts mehr empfinden. Es bedeutet einfach, dass wir offen dafür sind, positive Gefühlen zu empfinden, die tatsächlich etwas mit der Situation zu tun haben.

Natürlich gibt es im Buddhismus zahlreiche Methoden, um den Geist zu beruhigen. Eine ganz einfache Methode besteht darin, einfach loszulassen; z.B. zu erkennen, dass ich gerade nur „Bla, bla, bla“ denke, und diese Gedanken dann einfach loszulassen. Es ist sehr hilfreich, wenn wir uns eine geschlossene Faust vorstellen, die wir dann öffnen und so diese Gedanken loslassen. Es gibt noch einige andere Methoden, aber ich möchte hier nicht ausführlich über all die Methoden reden, die es zu jeder dieser Übungen gibt.

Ein fürsorgliches Herz

Das zweite Standbein ist das so genannte „fürsorgliche Herz“ oder die „teilnahmsvolle Geisteshaltung.“ Wenn wir uns erst einmal beruhigt haben, betrachten wir die andere Person oder uns selbst auf folgende Weise: „Du bist ein Mensch und hast Gefühle, genau wie ich, und die Art und Weise, wie ich mit dir umgehe oder wie ich mit dir rede, wird sich auf deine Gefühle auswirken, genauso wie die Art und Weise, wie du mit mir umgehst oder mit mir sprichst, sich auf meine Gefühle auswirken wird. Daher nehme ich dich und die Tatsache, dass du Gefühle hast, ernst und ich gehe fürsorglich mit dir um.“ Es geht nicht darum, sich Sorgen um die Gefühle der anderen Person zu machen, sondern ich habe eine tiefe und aufrichtige Teilnahme daran, nicht nur eine Art wissenschaftliches Interesse.

Ich glaube in unser Zeit der sozialen Medien ist ein fürsorgliches Herz sogar noch wichtiger als zuvor, denn obwohl es scheint, als hätten wir mehr Kontakt zu anderen, ist es in vielfacher Hinsicht so, dass wir eigentlich weniger Kontakt zu ihnen haben, weil wir sie nicht als reale Menschen betrachten, die auch Gefühle haben. Sie sind für uns nur jemand auf dem Bildschirm eines Computers oder in einer Textnachricht, die man abschalten oder wegklicken kann, wenn man sich nicht mehr damit beschäftigen will.

Wenn es darauf hinausläuft, dass wir sie wie Figuren in einem riesigen Computerspiel einer virtuellen Realität sehen, mit denen wir uns entweder austauschen oder einfach auf einen Knopf drücken, um das Spiel zu beenden, damit wir uns nicht weiter mit ihnen befassen müssen, dann nehmen wir weder die anderen noch uns selbst als Menschen ernst, weil das eben die Art und Weise ist, wie wir mit ihnen umgehen.



Es gibt also zwei grundlegenden Dinge, die wir mit diesem Programm entwickeln. Bevor wir mit dem Training beginnen, bringen wir unseren Geist zur Ruhe und kultivieren ein fürsorgliches Herz. Jede Übung beginnt damit, diese zwei grundlegenden Dinge erneut zu bekräftigen. Die restlichen Übungen werden dann in Stufen unterteilt. Es gibt vier grundlegende Stufen, an denen wir arbeiten müssen, und zudem noch eine fünfte: das fortgeschrittene Training.

Die wesentlichen Grundlagen

Sich ideale Sensibilität vorstellen

Auf der ersten Stufe geht es um die wesentlichen Grundlagen, die wir benötigen, um uns selbst weiterzuentwickeln. Als erstes nutzen wir unsere Vorstellungskraft und versuchen uns bildlich vorzustellen, wie ideale Sensibilität aussehen könnte. Diese würde Folgendes umfassen:  

  • In unserem Geist laufen keine Geschichten und Kommentare ab.
  • Aufrichtige Anteilnahme an anderen und ihrem Wohl.
  • Andere und uns selbst nicht verurteilen, indem wir denken, „Wie dumm bin ich denn,“ usw.
  • Kein Gefühl von Selbstherrlichkeit: „Alles in der Welt dreht sich um mich und jeder sollte mir Aufmerksamkeit schenken“ und: „Mir ist es egal, was du denkst; wichtig ist nur, was ich denke“.
  • Keine festen Wände zwischen uns; wir errichten keine Schutzschilde oder dicke Mauern, um uns im persönlichen Umgang miteinander zu verteidigen.
  • Keine Ängste
  • Fröhlich sein, glücklich darüber sein, dass man mit dieser Person zusammen ist
  • Warmherzig und verständnisvoll zu sein, anderen unsere Sympathie zukommen lassen und ihre Probleme verstehen
  • Auch der Gesichtsausdruck ist von Belang. Wir haben keine versteinerte Miene, so als würden wir uns langweilen und nicht abwarten können, bis der andere endlich ruhig ist und geht, oder als würden wir hoffen, dass unser Telefon klingelt, damit der andere aufhört zu reden.
  • Selbstbeherrschung, um uns selbst und anderen Person nicht wehzutun
  • Freundliche Worte: Wir achten auf den Ton unserer Stimme und darauf, was wir sagen
  • Umsichtige Handlungen: Wir überlegen, bevor wir handeln
  • Spontanität: Wir wollen nicht steif sein, uns aber auch im Klaren darüber sein, dass unsere Handlungsweise eine Wirkung auf andere hat. Bei einigen Menschen ist es angebracht, sie zu umarmen, wenn sie ganz traurig und deprimiert sind. Bei anderen jedoch mag eine Umarmung in solch einer Situation nicht angebracht sein. Wir handeln also mit Bedacht und setzen unser Urteilsvermögen korrekt ein.

Wir stellen uns vor, wie es wäre, so zu sein. Es ist wichtig, eine Vorstellung von dem Ziel zu haben, das wir anstreben, damit wir es erreichen können. Kannst du dir vorstellen zu versuchen, so zu sein?

Unsere natürlichen Fähigkeiten erkennen

In der folgenden Übung geht es darum, unsere natürlichen Fähigkeiten zu erkennen und zugänglich zu machen. „Kann ich so werden? Habe ich die Voraussetzungen dafür?“ Die haben wir und wir machen uns das klar, indem wir uns an Zeiten erinnern, als wir derartige Eigenschaften in uns erlebt haben.

  • Freude zu empfinden und entspannt zu sein, wie beispielsweise, wenn man in einem warmen Bett liegt – wir wissen, wie sich das anfühlt.
  • Konzentration und Aufmerksamkeit: Wenn wir schreiben oder etwas eintippen, müssen wir aufmerksam sein, sonst machen wir Fehler. Die Tatsache, dass wir dazu in der Lage sind, zu schreiben oder zu tippen, zeigt, dass wir unsere Aufmerksamkeit steuern können. Das Schreiben von Textmitteilungen erfordert eine gute Fokussierung.
  • Zuneigung empfinden und Zuneigung zeigen: Wenn du jemals ein Kätzchen oder einen kleinen Hund auf ihrem Schoß gestreichelt haben, kennst du das Gefühl von Zuneigung.
  • Verständnis: Wenn man weiß, wie man sich die Schuhe zubindet, hat man ein gewisses Maß an Verständnis, wie etwas gemacht wird, und können es korrekt einsetzen.
  • Selbstbeherrschung, um keinen Schaden anzurichten: Wenn man beispielsweise einen Splitter aus seinem Finger entfernt, zeigt sich: Wir haben eine beträchtliche Fähigkeit zu großer Selbstbeherrschung – dazu, sehr behutsam in unseren Handlungen zu sein.
  • Sich inspiriert und voller Energie zu sein: Die meisten Menschen werden durch irgendetwas inspiriert, sei es, dass man Musik hört oder einen Sonnenuntergang betrachtet – irgendetwas inspiriert einen und auf diese Weise können wir uns aufgemuntert und energiegeladen fühlen.

Wir sehen: Um uns zu entwickeln, ist es sehr wichtig, zunächst eine Vorstellung davon zu haben, was wir verwirklichen wollen und uns dann zu vergewissern, dass wir die Voraussetzungen dafür haben, dieses Ziel erreichen zu können. Es geht lediglich darum, diese Eigenschaften weiterzuentwickeln, denn wir haben sie bereits. Wenn uns veranschaulicht werden kann, dass wir diese Eigenschaften tatsächlich haben, können wir etwas zuversichtlicher sein, dass es möglich ist, den angestrebten Zustand zu verwirklichen.

Schädliches Verhalten unterlassen

Ein anderer, grundlegender Aspekt unseres sensiblen Umgangs mit anderen und uns selbst besteht darin, schädliches Verhalten zu unterlassen, also eine ethische Basis zu haben: „Ich werde dir gegenüber keine destruktive und schädliche Handlung begehen und ich werde nichts tun, was selbstzerstörerisch ist.“ Diese Übung hilft uns, verschiedene Aspekte unseres Verhaltens zu erkennen, die gegenüber anderen oder uns selbst destruktiv sind. Es geht nicht nur um Unaufrichtigkeit gegenüber anderen, sondern auch uns selbst gegenüber. Ein Verhalten an den Tag zu legen, das sowohl für andere als auch für uns selbst schädlich ist, sich beispielsweise zu überarbeiten, sich nicht genügend auszuruhen, nicht angemessen zu essen, sich kaum zu bewegen, ist selbstzerstörerisch.

Es gibt es viele subtile Aspekte, die damit in Zusammenhang stehen. Wenn man z.B. mit einer älteren Person spazieren geht, achten wir darauf, nicht zu schnell zu gehen und nicht so leise zu reden, dass sie nicht richtig verstehen kann, was man sagt. All das scheinen geringfügige Kleinigkeiten zu sein, tatsächlich sind sie aber durchaus von Belang, wenn man auf sensible Weise mit jemandem umgehen möchte, der spezielle Bedürfnisse hat, wie etwa mit einem älteren Menschen.

Urteile nicht darüber. Wenn jemand schwer hört und wir lauter sprechen müssen, neigen wir dazu zu denken, dass er dumm ist, weil wir lauter mit ihm reden müssen. Damit urteilen wir, nicht wahr? Ein weiterer Bestandteil ausgewogener Sensibilität ist also, nicht urteilend zu sein. Der andere hat nicht verstanden, was wir gesagt haben, weil er es nicht hören konnte, aber wir neigen zu der Annahme, er habe es nicht verstanden hat, weil er zu dumm ist.

Warmherzigkeit und Verständnis vereinen

Die letzte Übung in diesem Bereich besteht darin, Warmherzigkeit mit Verständnis zu vereinen. Wir brauchen eine Kombination aus beidem. Wir denken z.B.: „Ich werde dich ernst nehmen, weil du, deine Worte und Gefühle real sind.“ Wir machen uns klar: „Als ich sagte, ich würde mich ärgern, war das wirklich so, und daher solltest du mir gegenüber verständnisvoll und warmherzig sein.“ Genauso muss ich dich ernst nehmen und dich mit Warmherzigkeit und Verständnis behandeln, wenn du dich aufregst oder ärgerst. – All diese Übungen bestehen, wie gesagt, aus vielen Teilen. Ich kann lediglich eine kleine Einführung in jede geben.

Die Talente unseres Geistes und Herzens entdecken

Die zweite Phase des Trainings heißt „die Talente unseres Geistes und Herzens entdecken“. Wie finden wir Zugang dazu, wenn wir erkennen, dass wir die Voraussetzungen dafür haben, diese ausgewogene, gesunde Sensibilität gegenüber anderen und gegenüber uns selbst entwickeln zu können? Der folgende Abschnitt befasst sich mit dieser Frage.

Vom „Ich“ zur geistigen Aktivität

Als erstes ist es notwendig, unsere Aufmerksamkeit von uns und „mir“ auf die geistige Aktivität zu lenken, die gerade stattfindet. Zum Beispiel sagt jemand etwas zu uns und anstatt uns nur darauf zu fokussieren, was er gerade zu mir gesagt hat und: „Was soll ich jetzt sagen?“ usw., könnten wir einfach nur beobachten, was tatsächlich gerade passiert, nämlich das Hören von Klängen. Das ist alles, was gerade stattfindet. Wir hören, wie jemand spricht. Das ist die geistige Aktivität: das Erscheinen eines geistigen Hologramms von Klängen. Man hört jeweils nur ein gesprochenes Wort und eine Silbe, aber dann wird das im Kopf zu einem Satz zusammengesetzt, der einen Sinn ergibt. Das ist Hören. Es gibt kein festes „Ich“, das beobachtet und kontrolliert, indem es getrennt davon ist. Dennoch bin ich verantwortlich dafür, was ich erlebe und was ich tue. Wir versuchen hier, in Bezug auf unsere Erfahrung objektiver zu werden.

Die Inhalte unserer Erfahrungen ändern sich ständig. Die geistige Aktivität des Hörens jener Inhalte ist individuell und ich bin verantwortlich dafür, was ich daraufhin tue und sage, und ich werde die Konsequenzen erfahren. Das Wichtigste ist aber, sich einfach nur auf die Tatsache zu konzentrieren, dass lediglich geistige Aktivität stattfindet.

Unsere individuelle geistige Aktivität findet immer statt

Mit der folgenden Übung erkennen wir dann, dass diese geistige Aktivität wirklich sehr elementar ist. Das ist eine sehr subtile Tatsache: das Erscheinen eines sogenannten geistigen Hologramms und eine gewisse Wahrnehmung davon findet immer statt.

Zum Beispiel: Wir sehen jemanden und wir sehen ein verärgertes Gesicht: die Person ist verärgert. Wir prüfen dann was mental gerade abläuft, wenn wir sehen und verstehen dann:

  • Meine eigenen Gefühle verhindern nicht das Sehen des Gesichts, das Sehen findet ungeachtet dessen statt. Ich sehe es, auch wenn ich verärgert bin, Angst habe oder was auch immer: Meine Sicht wird dadurch nicht blockiert.
  • Meine verbalen Gedanken blockieren das Sehen ebenfalls nicht.
  • Wenn ich meine, ich kann mich mit dieser Person und ihren Problemen nicht identifizieren, ist es nicht so, dass ich deswegen nicht in der Lage bin zu sehen, dass sie verärgert ist.
  • Sie ist verärgert und ich kann an der Realität nichts ändern, indem ich denke: „Diese Person gibt es nicht“ oder „Sie ist ein Monster“ oder Ähnliches. Das ändert nichts an der Realität.
  • Egal, was nebenbei in meinem Geist vorgeht, die geistige Aktivität, die darin besteht, einfach nur die Person, ihr verärgertes Gesicht zu sehen oder ihre wütenden Worte zu hören, findet dennoch statt. Sie findet immer statt.

Zugang zu den natürlichen Talenten des Geistes und Herzens finden

Die nächste Übung besteht darin, Zugang zu den natürlichen Talenten unseres Geistes und Herzens im Allgemeinen zu finden. Das ist eine sehr tiefgehende Übung zur Beruhigung und Entspannung. Wir lassen nach und nach von dem Folgenden los:

  • Muskelanspannung
  • Verbales Denken oder geistige Bilder
  • Vorurteile – über die andere Person, über uns selbst und über unsere mögliche Interaktion
  • Nicht nur von verbalen Urteilen, sondern auch von nicht-verbalen Urteilen – ohne es in unserem Geist zu formulieren, dass diese Person dumm ist oder uns auf die Nerven geht, urteilen wir dennoch auf nicht-verbale Weise. Projizierte Rollen und den damit verbundenen Erwartungen, die wir in Bezug auf uns oder jemand anderen haben mögen – „Ich bin die Mutter, du bist das Kind. Die Mutter sollte auf diese Weise handeln und das Kind auf jene Weise.“ Oder: „Du bist mein Partner. Du solltest so sein und ich sollte jene Rolle spielen.“

Wenn wir all das zur Ruhe kommen lassen und uns davon lösen können, so dass all der Stress und die Anspannung verschwinden, dann merken wir – und die anderen Menschen merken das auch – , dass ein natürliches Gefühl von Zuneigung und Offenheit gegenüber der anderen Person entsteht. Wir sind auf eine natürliche Weise aufmerksam und teilnahmsvoll. Wir zögern nicht und haben keine Angst davor, so zu reagieren, wie es angemessen erscheint. All das ist möglich und wir können es erkennen, wenn wir aufhören, immer nur an uns zu denken und daran, was die anderen wohl über uns denken usw. Erkennst du, dass es sich dabei lediglich um geistige Aktivität handelt und sonst nichts, und wenn man innerlich ruhig genug werden kann, sind die natürlichen Eigenschaften als Teil des Geistes und Herzens da und wir haben Zugang zu ihnen.

Die Fünf Arten tiefen Gewahrseins

Als nächstes lernen wir, mit den sogenannten „fünf Arten des tiefen Gewahrseins“ zu arbeiten und dabei geht es darum, wie der Geist grundlegend funktioniert, wie die geistige Aktivität funktioniert.

Spiegelgleiches tiefes Gewahrsein

Mit dem sogenannten „spiegelgleichen tiefen Gewahrsein“ nehmen wir Informationen auf. Wir nehmen eine Menge Informationen auf; es ist nur so, dass wir dem keine Aufmerksamkeit schenken. Wenn man die andere Person wirklich genau betrachtet, kann man so viel von ihrem Gesichtsausdruck und ihrer Körpersprache ablesen, davon, wie sie auf sich achtgibt, wie sie sich kleidet und zurechtmacht. Wir können eine Menge sehen; all diese Information stehen uns zur Verfügung. Wenn wir ausgeglichen und ruhig genug sind, können wir darauf achten.

Wenn man wirklich zuhört, was die andere Person sagt, kann man sehr viel aus dem Ton ihrer Stimme heraushören, welche Emotion dahintersteckt; allein schon die Lautstärke der Stimme gibt Hinweise darauf. Jemand, der so leise redet, dass man ihn nicht einmal richtig verstehen kann, hat gewöhnlich einen großen Mangel an Selbstvertrauen. Schon durch die Art und Weise, wie und mit welcher Lautstärke Menschen reden, wird sehr viel vermittelt.

Gleichsetzendes tiefes Gewahrsein

Die nächste Art des tiefen Gewahrseins ist das sogenannte „gleichsetzende tiefe Gewahrsein“, bei dem es darum geht, Muster im Verhalten der Menschen zu erkennen und Dinge zu kombinieren. Wir sind dazu in der Lage, denn wie wüssten wir sonst, dass es sich bei diesen beiden Menschen um Frauen handelt und bei jenen beiden um Männer? Wir können Ähnlichkeiten in Dingen erkennen.

Individualisierendes tiefes Gewahrsein

Dann das „individualisierende tiefe Gewahrsein.“ Wir sehen zwar die Muster im Verhalten der Menschen, beispielsweise wenn wir mit unserem Partner zusammen sind, allmählich in Verbindung mit seinen Verhaltensmustern einen Sinn darin erkennen, was in ihm vorgeht, und das hilft uns, ihn zu verstehen. Doch mit dem individualisierenden tiefen Gewahrsein können wir auch die Einzigartigkeit der bestimmten Situation und deren individuelle Merkmale erkennen. Es ist nicht so, dass jeder Aspekt, der in das Muster passt, immer gleich ist.

Vollbringendes tiefes Gewahrsein

Zudem haben wir das vollbringende Gewahrsein, mit dem wir auf das, was wir mit den anderen Arten des tiefen Gewahrseins wahrnehmen, reagieren. Es handelt sich einfach um die Bereitschaft, auf etwas Wahrgenommenes zu reagieren, indem wir etwas tun, etwas vollbringen. Sogar ein Wurm weiß, wie er reagieren muss, um zu fressen, wenn er Nahrung sieht, beruhend darauf, dass er, auch verschiedenartige Stücke von Nahrung gleichermaßen als Nahrung erkennt. Auch ein Wurm kann das.

Das tiefe Gewahrsein der Realität

Überdies gibt es das tiefe Gewahrsein der Realität. Es besteht darin, zu wissen, was etwas ist und was damit im Speziellen zu tun ist. Wir reagieren nicht einfach nur allgemein, sondern wir wissen, was im jeweils speziellen Fall zu tun ist.

Das alles sind die Werkzeuge, die zu den Talenten des Geistes gehören. Sie bestimmen, wie der Geist arbeitet, und wir können sie nutzen. Eigentlich benutzen wir sie bereits im täglichen Leben. Um es ganz einfach zu beschreiben: Wir sehen eine Öffnung in der Wand dort drüben und wissen, dass es eine Tür ist. Wir wissen, dass man hindurchgehen kann und dass man die Tür vorher öffnen muss; wir können nicht einfach durch die Tür hindurchgehen. So funktioniert unser Geist. Wir sehen viele verschiedene Türen, jeder von uns weiß, dass es sich bei allen um Türen handelt und wir wissen, was wir mit jeder von ihnen machen können. Das Gleiche gilt in Bezug auf Menschen, die gleichermaßen verärgert sind, oder auch in Bezug darauf, was die meisten Menschen mögen. Und doch ist dies jeweils ein individueller Fall und muss daher auch im Speziellen betrachtet werden.

All das gehört zur zweiten Phase des Entdeckens der Talente unseres Geistes und Herzens.

Beseitigung von Missverständnissen bezüglich der Erscheinungen

Die dritte Phase ist „das Beseitigen von Missverständnissen bezüglich der Erscheinungen“. Im Wesentlichen achten und reagieren wir auf Erscheinungen, also darauf, wie Dinge für uns erscheinen. Denk daran: Geistige Aktivität ist das Hervorbringen von Erscheinungen, von geistigen Hologrammen, und das ist es, was Sehen, Hören und Denken ausmacht.

Versuch, dieses Konzept die geistigen Hologramme zu verstehen, denn es ist sehr wichtig. Was sehen wir? Vor mir sitzen z.B. lauter Menschen, Licht fällt ein, trifft dann auf meine Netzhaut und der Reiz wird in elektrische und chemische Impulse umgewandelt. Irgendwie werden diese dann, erfahrungsbezogen, zu einem geistigen Hologramm umgewandelt, und das ist es, was wir sehen. Es ist nicht so, dass wir ein geistiges Hologramm in unseren Köpfen finden können. Deshalb reden wir von etwas Geistigem; auf der physiologischen Ebene werden lediglich Neutronen und Chemikalien abgefeuert.

Geistige Hologramme verbinden sich mit Projektionen

Das Problem ist, dass die geistige Aktivität zusätzlich etwas auf die geistigen Hologramme projiziert. Häufig reagieren wir eher auf die Projektion als auf die tatsächliche Situation. Vielleicht hat uns jemand nicht angerufen – das ist einfach eine Tatsache: Wir haben nichts von dieser Person gehört. Dann projizieren wir und denken: „Sie mag mich nicht mehr“ usw.; tatsächlich könnte es aber einfach nur daran liegen, dass der Akku ihres Handys leer ist. Zuerst sollten wir die Erscheinungen überprüfen, die wir wahrnehmen. Wir müssen uns der tatsächlichen, konventionellen Erscheinung, die wir sehen, vergewissern und jegliche Übertreibung oder Überbewertung, die wir in Bezug darauf haben mögen, erkennen.

Zum Beispiel: Du lebst mit jemandem zusammen und er oder sie hat das Geschirr nicht abgewaschen, nicht saubergemacht oder Ähnliches. Das ist eine Tatsache, aber dann projizieren wir und sagen: „Du bist ein richtiger Chaot; du machst nie sauber und bist unzuverlässig“ usw. Die Methode, um diese Projektion zu dekonstruieren, besteht darin zu erkennen, dass die Projektion wie ein Ballon ist, zu dem wir diese Situation aufgeblasen haben. Dann stellen wir uns vor, dass wir diesen Ballon zum Platzen bringen – aber nicht in einem dualistischen Sinne, so, als wären „wir“ und der von einer Nadel zum Platzen gebrachte Ballon etwas voneinander Getrenntes, sondern wir stellen uns einfach vor, dass er zerplatzt.

Wir könnten uns auch vorstellen, da sei ein Märchenbuch über einen Prinzen oder eine Prinzessin, mit einer Geschichte über die Unordnung, das rechtschaffene Opfer und den faulen Chaoten – oder was immer wir für eine Geschichte aus der Situation gemacht haben. Dann klapp das Buch einfach zu und es ist aus und vorbei mit dem Märchen. Das ist diese erste Übung.

Abbau trügerischer Erscheinungen

Als nächstes gibt es eine Reihe von Übungen, in denen wir trügerische Erscheinungen oder Projektionen dekonstruieren. Zuerst visualisieren wir die Veränderungen im Leben. Nehmen wir z.B. die trügerische Erscheinung, jemand hätte nur ein bestimmtes Alter und das wäre immer so. So nehmen wir es wahr. Wir sehen vielleicht einen alten Menschen mit Alzheimer und meinen, dass er immer so war. Wir ziehen nicht in Betracht, dass er einmal ein normal funktionierender Mensch war, dass er ein Leben, einen Beruf, eine Familie usw. hatte. Es ist, als wäre er ausschließlich und schon immer das, was er jetzt ist – ein Alzheimer-Kranker, der nicht einmal seinen eigenen Namen kennt. Dann haben wir Angst, mit ihm in Kontakt zu treten und sogar Angst davor, ihn zu berühren.

Ähnliches gilt, wenn wir zum Beispiel mit unserem Partner zusammen sind, der gerade verärgert ist, und wir sagen: „Oh, du regst dich immer auf.“ Was bedeutet das? Dass er sich in jedem Moment seines Lebens, seit er ein Baby war, bis heute und weiter bis hin zu seinem Tod aufregt? Wir vergessen all die Veränderungen im Leben und die vielen anderen Situationen. Wir sehen die Situation nicht im Kontext der gesamten Beziehung. Das ist in Beziehungen sehr wichtig, denn wir neigen dazu, das Gesamtbild all der verschiedenen Aspekte unserer Interaktion mit jemandem zu vergessen. Nur weil eine bestimmte Situation gerade so dramatisch ist, neigen wir dazu, nur diese Situation für sich zu sehen. Das ist völlig übertrieben, nicht wahr?

Das gleiche trifft in Bezug auf uns selbst zu, wenn wir meinen: „Ich bin immer so; ich werde immer so sein“. Es ist wichtig, dass wir den gegenwärtigen Zustand in Relation zu unserem gesamten Leben betrachten, im Kontext dessen, wie wir uns im Leben entwickeln. Wir befanden uns nicht immer in dieser Lage, in der wir einfach keinen Job finden, Beziehungsprobleme haben oder Ähnliches. Wir gehen im Leben durch viele Phasen und erleben zahlreiche Änderungen. Es ist wichtig, den größeren Zusammenhang zu sehen.

Unsere Erfahrungen in Teile und Ursachen zerlegen

In der folgenden Übung zerlegen wir unsere Erfahrung in Teile und Ursachen. Jemand mag z.B. verärgert sein. Dafür gibt es vielerlei Ursachen, nicht nur: „Was ich gesagt habe, hat dich verärgert. Ich bin schuld“ oder: „Du bist einfach furchtbar und regst dich immer so auf.“ Wir wissen, wie es ist, wenn wir nach Hause kommen bzw. wenn der Partner nach Hause kommt. Es ist so, als würden wir denken, im Leben des anderen wäre nichts passiert, bevor wir – oder der Partner – nach Hause kamen. Jetzt ist er da und die Tatsache, dass er einen schwierigen Tag im Büro oder einen schwierigen Tag zu Hause mit den Kindern hatte, ist einfach nicht in unserem Geist präsent. Wir sollten verstehen, dass die Art und Weise seines Handelns, seines Fühlens davon abhängt, was vorher, während des Tages passiert ist. Es geht nicht nur um das, was wir direkt vor uns sehen, ohne irgendetwas, das vorher geschah.

Meiner Meinung nach ist das höchst relevant im Zusammenhang mit all den Kurzmitteilungen, E-Mails und Nachrichten, die wir uns gegenseitig schicken. Es ist, als würden wir glauben, im Leben der anderen Person würde absolut gar nichts geschehen. Wenn sie nicht sofort antwortet und etwas erwidert, regen wir uns gleich auf. Wir sind gegenüber der Tatsache, dass sie auch ein eigenes Leben führt, vollkommen unsensibel. Wenn wir jemanden anrufen, ist es wichtig zu fragen: „Bist du gerade beschäftigt? Hast du einen Moment Zeit? Passt es dir jetzt oder soll ich später noch einmal anrufen?“

Es ist ausgesprochen unsensibel und anmaßend zu denken, dass wir den anderen jederzeit mit einer SMS oder einem Telefonanruf unterbrechen können und er sofort darauf reagieren muss. Was die Situationen und Stimmungen der anderen betrifft, so spielen dabei all die ursächlichen Faktoren eine Rolle – ihre Kindheit, ihre Eltern, was auf der Arbeit passiert ist, ihre Gesundheit und Vieles mehr. So zerlegen wir die Situation in vielerlei Faktoren.

Unsere Erfahrungen als Wellen auf dem Ozean

Dann gibt es weitere Übungen, in denen wir unsere Erfahrungen als Wellen auf dem Ozean sehen; unsere Emotionen steigern sich bis ganz nach oben, aber dann sinkt die Welle wieder zurück nach unten. „Wie kannst du so etwas zu mir sagen?!“ Jemand sagt etwas wirklich Beleidigendes und man ist tief verletzt usw., die Emotionen türmen sich auf wie eine große Welle im Ozean. Wenn wir uns aber einfach entspannen, werden wir uns, wie die Welle im Ozean, allmählich beruhigen. Betrachte das Aufwallen einfach als geistige Aktivität, ähnlich einer großen Welle im Ozean des Geistes. Lass sie zur Ruhe kommen; lass sie nicht die Tiefen des Ozeans aufwühlen.

Vielleicht übt jemand harte Kritik an uns, oder sagt etwas wirklich Beleidigendes oder Schockierendes. Was war die geistige Aktivität? Wir haben in der ersten Übung dieses Abschnitts darüber gesprochen: Es handelt sich um Hören, sonst nichts. Wir haben einfach nur Worte gehört und das ist alles, was passiert ist. Wenn man mit etwas Übung genügend zur Ruhe gekommen ist, kann man im Innern spüren, wie die Energie in Wallung gerät. Jemand sagt diese schroffen Worte zu uns und es ist fast so, als würden wir in unserem Magen eine Anspannung unserer Energie spüren: Das ist wie eine große Welle im Ozean, aber der Geist hört einfach nur, er ist wie der Ozean. So ist das.

Der Geist ist einfach nur wie der ganz stille Ozean, er hört bloß Worte, aber dann spannt er sich mit diesem Gefühl in unserem Magen an, als würde er versuchen, ein festes „Ich“ zu erzeugen, das sich hinstellt und schreit: „Das hast du zu mir gesagt! Wie kannst du nur!“ Die Energie ist sehr angespannt. Alles was wir dann tun müssen, ist, das einfach abflauen zu lassen. Es handelt sich einfach nur um eine Welle im Ozean – keine große Sache. Lass sie zur Ruhe kommen und werde bzw. sei wieder der Ozean. Alles, was geschah, ist, dass wir ein paar Worte gehört haben, und dann können wir auf ruhige Weise etwas erwidern, nicht in diesem Ton: „Wie kannst du nur so etwas sagen – zu mir, mir, mir!“

Darüber hinaus gibt es noch Übungen, diese verschiedenen Arten der Demontage unserer Erscheinungen mit Mitgefühl zu kombinieren.

Mit ausgewogener Sensibilität reagieren

Der vierte Abschnitt, die letzte Phase dieses grundlegenden Trainings, ist das „Reagieren mit ausgewogener Sensibilität“. Mit anderen Worten: Sobald wir die Projektionen dekonstruiert haben, sehen wir wirklich, was mit der anderen Person oder mit uns los ist und auf diese Weise werden wir Geschehnisse weder projizieren noch ignorieren, wie es der Fall wäre, wenn wir unsensibel sind. Zudem ist es wichtig, dass wir auf die eigentliche Situation reagieren können. Wir wollen in der Lage sein, auf die Realität zu reagieren anstatt auf unsere Fantasie.

Unsere Geistesfaktoren beeinflussen

Die erste Übung in diesem Abschnitt ist das „Beeinflussen unserer Geistesfaktoren“. Wir erfahren etwas über die unterschiedlichen Faktoren, die mit unserer geistigen Aktivität einhergehen: wie wir auf etwas achten, wie viel Interesse wir an etwas haben, was für Einzelheiten wir in einer Situation oder bei einer Person erkennen können, wie wir uns konzentrieren, wie wir unterscheiden, was unsere Absichten sind. Und wir verstehen, dass wir all diese Faktoren ändern und korrigieren können. Das sollte jedoch nicht auf dualistische Weise geschehen, so, als wären wir hier und würden Einstellungen an den Knöpfen dort am Radio vornehmen. Wir ändern sie einfach. Zeig mehr Interesse daran, was die andere Person sagt, und denk nicht einfach nur, wie langweilig und egal es dir ist. Interessier dich dafür, denn man hat Austausch mit Menschen, indem sie sich für ihr Leben interessieren. „Was ist los mit dir?“ Sei aufrichtig.

Wir wissen, dass es möglich ist, Interesse zu entwickeln. Wenn wir einen Stapel Pullover hier liegen hätten, würden wir uns nicht sonderlich dafür interessieren. Wenn es jedoch wirklich kalt wäre und wir einen Pullover bräuchten, den wir anziehen könnten, weil wir frieren, würden wir uns durchaus dafür interessieren. Es ist möglich, unsere Geistesfaktoren zu ändern und anzupassen.

Unserer Gefühle von Blockaden befreien

Als nächstes kommt eine sehr wichtige Übung, bei der es darum geht „unsere Gefühle von Blockaden zu befreien“. Zu dieser Übung gehört es, Leiden anzunehmen und das Gefühl von Glücklichsein schenken zu können. Manchmal sind wir mit jemandem zusammen, der ziemlich verärgert oder traurig ist, und dann haben wir Angst davor, das wirklich zu akzeptieren, damit umzugehen und mitzufühlen. Unsere Gefühle der Sympathie und unser Einfühlungsvermögen sind blockiert.

Im Grunde haben wir Angst davor. Wir müssen lernen, dass es an diesen Gefühlen nichts gibt, was wir fürchten müssen. Oder vielleicht sind wir zu sehr beschäftigt und wollen nicht gestört werden. Wir müssen lernen, dass angesichts der Trauer von jemandem traurig zu sein nicht bedeutet, übertrieben zu reagieren und zu weinen, sodass der andere uns womöglich noch trösten muss. Vielmehr ist die Frage, wie wir ihn trösten und aufmuntern können, auch wenn wir mit ihm mitfühlen. Wie machen wir das? Woher nehmen wir die Ausgeglichenheit, einerseits einfühlsam gegenüber seinem Leiden und seiner Trauer zu sein und andererseits Trost, Zuneigung und Verständnis geben zu können? Es ist eine gute Übung, das zu entwickeln.

Wenn wir Mutter oder Vater sind und ein kleines Kind haben, das furchtbar wütend ist, finden wir interessanterweise eine Möglichkeit, damit umzugehen. Wenn es hinfällt und sich dabei wehtut, ist man natürlich ganz traurig darüber, aber trotzdem muss man ihm Zuneigung geben, es trösten und darf sich nicht übermäßig aufregen und aus der Fassung geraten. Im Umgang mit unserem Partner ist das erheblich schwieriger. Worauf es ankommt, ist, zu erkennen, dass wir keine Angst vor Gefühlen zu haben brauchen, und entspannt mit ihnen umzugehen.

Die Übungen dafür, sich nicht vor Gefühlen zu fürchten, sind sehr einfach. Wir verwenden dafür körperliche Empfindungen. Wir kratzen z.B. heftig unsere Hand; dann halten wir sie einfach in der anderen Hand; und schließlich kitzeln wir sie ein wenig. Worin besteht der Unterschied? Es ist einfach eine Sinnesempfindung. Es ist keine große Sache. Schwieriger ist es, wenn die Person neben uns unsere Hand heftig kratzt, sie einfach hält oder sie kitzelt. Worin besteht der Unterschied? Es gibt keinen Unterschied; es ist einfach eine körperliche Empfindung. Im Grunde ist es sehr interessant, das zu erleben und zu untersuchen, wie unterschiedlich wir damit umgehen. Die emotionale Reaktion darauf ist sehr interessant.

Feinfühlige Entscheidungen treffen

Die letzte Übung heißt: „feinfühlige Entscheidungen treffen“ in Bezug darauf, was wir tatsächlich tun. Dafür müssen wir zunächst einmal die Tatsachen prüfen. Reagieren wir auf die Realität und nicht auf unsere Projektionen? Sobald wir einigermaßen einschätzen können, was Realität ist, müssen wir untersuchen, was wir gern tun würden. Was möchte ich tun? Was muss ich tun? Was sagt mir meine Intuition?

Ein Beispiel, das ich benutze und das recht klar ist, ist das der Diät.

  • „Ich möchte eine Diät machen“ – sodann untersuchen wir, was die Gründe dafür sind – unsere Gesundheit, der Wunsch, besser auszusehen, oder was auch immer.
  • Muss ich überhaupt eine Diät machen?  – Bin ich einfach nur magersüchtig und bilde mir ein, ich wäre zu dick? Vielleicht ist es aber auch so, dass es wirklich notwendig ist, weil mein Blutdruck zu hoch ist oder Ähnliches. Was möchte ich gern tun? – Mein Freund hat mir gerade einen Kuchen vorbeigebracht und ich würde ihn gern essen. Ich möchte gern eine Diät machen, ich muss eine Diät machen, aber ich würde auch gern essen. Warum würde ich den Kuchen gern essen? Ist es Gier, Anhaftung, Verlangen? Es war ein Freund, der den Kuchen vorbeigebracht hat usw.

Dann prüfen wir: Sind wir ehrlich zu uns selbst? „Naja, im Bodhisattva-Gelübde heißt es, dass jemand, der mir etwas anbietet, durch seine Großzügigkeit Verdienste aufbaut, und daher werde ich das Stück Kuchen essen, das er mitgebracht hat. Aber damit will ich mich nur rechtfertigen, denn eigentlich bin ich ganz gierig und will unbedingt diesen Kuchen essen!“ Sei ehrlich zu dir selbst, was da abläuft. „Aus Mitgefühl mit dir werde ich den Kuchen essen.“ Wem wollen wir damit etwas vormachen?

Wie dem auch sei, wir wägen die Gründe ab, warum wir etwas tun wollen, warum wir etwas tun müssen, warum wir gern etwas anderes tun würden, und treffen dann eine vernünftige Entscheidung. Beispielsweise: Die Person, mit der ich zusammen bin, ist verärgert; ich möchte am liebsten weglaufen, muss aber dableiben und sie trösten. Ich denke: „Oh, hoffentlich wird sich diese Person beruhigen. Ich habe das Gefühl, ich bin da vollkommen unnütz und weiß nicht was ich machen soll.“ Wir gehen all diesen Dingen auf den Grund. „Ich will weglaufen, ich möchte nichts damit zu tun haben, aber ich muss mich damit befassen.“ Die Notwendigkeit, der Grund für die Notwendigkeit ist wichtiger als meine Ängste oder was immer es sein mag, was mich davon abhält. Also kümmere ich mich um die Situation.

Im Grunde ist es sehr wichtig, diesem Prinzip zu folgen, wenn wir unserer Arbeit nachgehen. Wie oft erleben wir es bei der Arbeit, dass wir etwas nicht so recht tun wollen, aber tun müssen? Und warum müssen wir es tun? Damit wir die Miete bezahlen können oder was auch immer. Es spielt keine Rolle, dass ich keine Lust zu dieser blöden Arbeit habe – ich tue sie einfach. „Ich möchte etwas anderes tun“ – na und! Wir machen einfach das Beste aus der Situation. Wir gehen damit auf feinfühlige Weise um. Das ist das grundlegende Training.

Das fortgeschrittene Training besteht aus weiteren Übungen, die sich tiefer mit dem Abbau unserer Projektionen befassen.

Schritte zur Praxis

Die eigentliche Methode für jede Übung beinhaltet zahlreiche Teile, die man der Reihe nach durcharbeitet. Deshalb braucht man normalerweise drei oder vier Sitzungen für jede Übung.
Zuerst praktizieren wir die Übung in Bezug auf Menschen durchführen, die nicht anwesend sind. Dabei gibt es zwei Phasen: zuerst mit Fotos oder Bildern aus einer Zeitschrift und dann, indem wir einfach über bestimmte Menschen nachdenken. „Du bist ein Mensch und hast Gefühle, genau wie ich.“ Wir sehen uns Bilder von jemandem an, zu dem wir eine enge Beziehung haben, dann von jemandem, der lediglich ein entfernterer Bekannter ist, und dann von jemandem, der uns fremd ist – etwa ein Bild aus einem Magazin – , und schließlich von jemandem, den wir nicht mögen. In Bezug auf all diese Menschen denken wir jeweils: „Du bist ein Mensch und hast Gefühle, genau wie ich.“

Dann befassen wir uns wiederum mit drei oder vier Menschen: mit jemanden, den wir wirklich mögen, mit jemanden, den wir nur flüchtig kennen, mit einem Fremden – vielleicht jemandem, der in einem Laden arbeitet, wo wir einkaufen, und mit jemandem, den wir nicht mögen. Aber nun denken wir einfach nur an sie.

Anschließend befassen wir uns mit den Menschen, die hier sind, wir üben gegenseitig miteinander. Wir setzen uns in einen Kreis und praktizieren diese Übung, indem wir jede Person in dieser Runde ansehen. „Du bist ein Mensch und hast Gefühle. Und auch du und du, ihr alle habt Gefühle.“ Das sollte natürlich dem Prinzip folgen, dass wir aufhören, in unserem Geist Geschichten und Kommentare über die jeweilige Person ablaufen zu lassen, sodass sich die anderen wohl dabei fühlen, und nicht etwa anfangen zu lachen oder Ähnliches. Auch sollten wir uns nicht gegenseitig anstarren, wie Tiere in einem Zoo.

Wenn sich die Menschen dann wohl genug damit fühlen – und da mag es wiederum kulturelle Unterschiede geben -, kann man auch einzeln miteinander arbeiten. Auf der emotionalen Ebene ist diese Methode sehr wirkungsvoll und effektiv. Die eine Person sagt zur anderen: „Du bist ein Mensch, du hast Gefühle, ich nehme Anteil an dir“, und die andere Person, die zuhört, hat das Gefühl, dass sie akzeptiert wird und jemand Anteil an ihr nimmt. Anschließend tauscht man die Rollen. Das ist eine emotional sehr wirkungsvolle Übung.

Wenn es genügend unterschiedliche Menschen in der Gruppe gibt und ausreichend Zeit zur Verfügung steht, ist es sehr hilfreich, diese Art der Übung mit einzelnen Partnern des eigenen Geschlechts und dann mit Partnern des anderen Geschlechts zu wiederholen. Wenn es genügend Menschen unterschiedlichen Alters gibt, können ältere und jüngere Personen miteinander arbeiten. Es ist sehr interessant, wenn eine junge Person zu einer älteren sagt: „Du bist ein Mensch und hast Gefühle, genau wie ich.“

Die letzte Phase jeder Übung bezieht sich dann auf uns selbst. In dieser Phase benutzen wir einen Spiegel und schauen uns an. Sieh dir ihren Gesichtsausdruck und all diese Aspekte an: „Ich bin ein Mensch“ usw. Üben wir in einer Gruppe und es gibt einen großen Spiegel, in dem wir uns alle zusammen betrachten können, dann können wir sehen: „Ich bin wie alle anderen. Da gibt es keinen Unterschied. Ich habe Gefühle, genauso wie jeder andere in der Gruppe, und wir alle sind Menschen mit Bedürfnissen und Verständnis, da besteht kein Unterschied. Ich bin nur einer in dieser Gruppe von Pinguinen in der Antarktis.“

Dann machen wir die Übung ohne Spiegel. Es ist sehr bewegend, wenn wir diese Übung mit alten Bildern von uns machen, die aus einer früheren Zeit unseres Lebens stammen, besonders wenn wir Bilder aus einer Phase unseres Lebens benutzen, hinsichtlich derer wir etwas bereuen oder negative Gefühle gegenüber uns haben. „Auch damals war ich ein Mensch, ich hatte Gefühle, ich habe mein Bestes versucht“ usw. So können wir diese Art von Sensibilität gegenüber uns und unserer Vergangenheit entwickeln.

Wie wir sehen, können diese Übungen emotional sehr bewegend sein, und daher ist es äußerst wichtig, sie nicht zu schnell zu machen und den Teilnehmern Zeit zu geben, ihre Erfahrungen zum Ausdruck zu bringen und nach allen Teilen einer jeden Übung Fragen zu stellen. Es ist auch wichtig zu verstehen, dass es sich hierbei nicht um ein Training für Menschen handelt, die tiefgehende emotionale Probleme haben. Wir müssen eine gewisse Stabilität haben, denn es werden vielerlei Emotionen auftauchen. Man sollte den Teilnehmern eindeutig zu verstehen geben, dass sie eine Übung nicht machen müssen, wenn sie emotional zu schwierig ist. Deshalb ist die allererste Übung so wichtig, in der es darum geht, den Geist zur Ruhe zu bringen, denn auf diese Weise schaffen wir ein geschütztes Umfeld, in dem ein grundlegendes Prinzip der Gruppe darin besteht, nicht zu urteilen: „Ich werde in meinem Geist keine Geschichten über dich erzählen und deine Erfahrungen als dumm abstempeln oder auf dich herabsehen“ usw. In solch einem geschützten Umfeld fühlen sich die Menschen sicher.

Obwohl man dieses Training auch ohne eine Gruppe, einfach nur für sich machen könnte – im Buch habe ich beschrieben, wie das geht – , ist es natürlich viel effektiver, wenn man es in einer kleinen Gruppe macht – nicht in einer großen Gruppe, sondern in kleinen.

Das ist das grundlegende Training und weltweit gibt es einige Gruppen, die ohne mich damit begonnen haben, denn ich habe wirklich nicht genügend Zeit, das in die Wege zu leiten und zu verbreiten. In Mexiko gibt es eine Gruppe, die auch gegenwärtig weiterhin aktiv ist; eine andere befindet sich in Deutschland usw. Die Menschen sind herzlich dazu eingeladen, dieses Training zu machen. Wie ich durch meine eigene Erfahrung beim Unterrichten erkannt habe, dauert es ungefähr drei Jahre, wenn man die Übungen in einem angenehmen Tempo durchgeht und sich mit jeder Übung und all ihren Teilen einmal pro Woche befasst.

Wenn man einmal mit dem Training oder auch nur mit einem Teil davon gearbeitet hat, kann es sehr hilfreich sein, sich an diese verschiedenen Punkte in der täglichen Praxis oder Meditation zu erinnern, denn zu jeder Übung – und es gibt ein Handbuch dazu – gibt es Schlüsselwörter, die man benutzen kann, um sich an die wesentlichen Punkte jeder dieser Übungen zu erinnern.

Top