Die Anpassung des tibetischen Buddhismus in der Mongolei

Der amerikanische Buddhologe Dr. Alexander Berzin, der zurzeit in Dharamsala, Indien wohnt, hat kürzlich die Mongolei auf Einladung des General-Sekretärs des ABCPs besucht. Er hat sich dazu bereiterklärt das folgende Interview für das Magazin „Buddhists for Peace“ zu geben.

Was sind Ihre Eindrücke von Ihrem Besuch der Mongolei und von der Hauptgeschäftsstelle der Konferenz asiatischer Buddhisten für den Frieden (ABCP; engl. Asian Buddhist Conference for Peace) ?

Ich bin sehr glücklich und fühle mich sehr geehrt, Gelegenheit zu haben, die Mongolei und die Hauptgeschäftsstelle des ABCP besuchen zu können. Ich bin in den Vereinigten Staaten von Amerika, in New Jersey aufgewachsen, nicht weit entfernt von der dort lebenden Gemeinschaft kalmückischer Mongolen. Der erste Lama, den ich in meinem Leben getroffen hab, war der mongolische Geshe Wangyal, dem ich im Jahr 1967 begegnete. Seit dieser Zeit habe ich stets sehr gewünscht , die Mongolei zu besuchen. Im Dezember 1985 traf ich den ehrenwerten Khambo Lama Gaadan in Bodhgaya, Indien, anlässlich der Kalachakra-Initiation, die Seine Heiligkeit der Dalai Lama dort gegeben hat. Bei dieser Gelegenheit brachte ich ihm gegenüber meinen Wunsch zum Ausdruck, sein Land zu besuchen. Jetzt ist dieser Wunsch wahr geworden.

Wie empfinden Sie die Mongolei als ein buddhistisches Land?

Ich bin zutiefst beeindruckt von der Mongolei. Es ist insbesondere wunderbar zu sehen, dass die buddhistischen Traditionen so gut aufrechterhalten werden. Ich habe bei meinen Aufenthalt hier nicht nur die Gelegenheit gehabt, Ulaanbaatar zu besuchen, sondern auch das Kloster Erdeni Dsu und die Dörfer Khujirt und Karakorum. Der Glaube und die Hingabe der Menschen in der Stadt, wie auch der Dorfbewohner sind sehr tief. Der Enthusiasmus der alten, ehemaligen Mönche ihre Traditionen dadurch wieder neu zum Leben zu erwecken, indem sie einige der alten Klöster wieder eröffnen, ist sehr bewegend. Ich habe mich mit einigen herausragenden und gut ausgebildeten jungen Mönchen getroffen. Auf der Grundlage meiner Eindrücke, die ich von ihnen gewonnen habe, denke ich dass die Zukunft des Buddhismus in der Mongolei sehr hoffnungsvoll aussieht.

Konnten Sie auf Ihren Besuch etwas Interessantes für ihre Forschungsarbeit finden?

Ich bin sehr intensiv mit der Lehre und Entwicklung des Buddhismus in der ganzen Welt befasst, insbesondere mit den Problemen der Übersetzung der tibetischen Tradition und seine Anpassung an andere Länder und Kulturen. Ich habe in etwa 37 Ländern Vorträge gehalten, in Nord- und Südamerika, in West- und Osteuropa, in der Sowjetunion, in Afrika, in Asien und in Australien. Mein Besuch in der Mongolei war äußerst hilfreich für meine Arbeit. Die Mongolei war das erste Land, in das die tibetische Tradition des Buddhismus sich verbreitet hat und übersetzt worden ist. Es gibt viel, was man aus dem Beispiel dieser Erfahrungen lernen kann. In anderen Ländern wird beispielsweise viel darüber diskutiert, ob Sanskrit-Begriffe in Übersetzungen gebraucht werden sollten, ob Rituale in tibetischer Sprache gesungen werden sollten, ob Debatten in tibetischer Sprache durchgeführt werden sollten, ob die Roben der Mönche verändert werden können, ob die medizinischen und astronomischen Systeme weitere moderne Entwicklungen erfahrenen können und so weiter. Die Erfahrungen der Menschen in der Mongolei in Bezug auf diese Fragen sind von unschätzbarem Wert, denn sie können für andere Kulturen sehr hilfreich sein, die sich mit denselben Themen konfrontiert sehen. Zudem habe ich im Bereich meiner eigenen, persönlichen Forschungsinteressen viel über die Abstammungslinien und die Verbreitung des Kalachakra-Systems und des astrologischen Systems von Tibet aus in die Mongolei gelernt.

Wie schätzen Sie die Perspektiven für eine zukünftige Zusammenarbeit mit dem ABCP ein?

Ich beabsichtige, verschiedene Universitäten, Forschungseinrichtungen, wie auch buddhistischen Zentren, die ich auf Reisen und Vortragsreisen um die ganze Welt besuche, an dem teilhaben zu lassen, was ich hier in der Mongolei gelernt habe. Die Tatsache, dass die mongolische Medizin ihre eigene Tradition der Massage-Behandlung dem System der tibetischen Medizin hinzugefügt hat und auch einheimische Kräuter in die Zubereitung von Arzneien eingeführt hat, wie auch die Tatsache, dass die mongolische Astrologie das tibetische System modifiziert hat, um sich so den örtlichen Gegebenheiten anzupassen, all dies, dessen bin ich mir sicher, wird weiterer Forschungsarbeiten auf diesen Gebieten stimulieren. Besonders nützlich werden die Erfahrungswerte sein, die ich in Bezug auf die Übersetzung der buddhistische Schriften, des Kanjur und des Tanjur, aus der tibetischen Sprache ins Mongolische gesammelt habe, wie auch die Sachkenntnis, die ich über die traditionellen Methoden gewonnen habe, wie jungen Mongolen die klassische tibetische Sprache gelehrt wird. Sobald mehr Menschen in aller Welt der mongolischen Erfahrungen gewahr werden, wird dies, so denke ich, weitere Forschungsprojekte anregen. Der ABCP spielt eine wichtige Rolle dabei, solche Forschungsprojekte im Bereich von Übersetzungen und der Entwicklung des Buddhismus in der ganzen Welt zu koordinieren und auch solche Forschung möglich zu machen. Ich hoffe, dass ich zukünftig in der Lage sein werde, weiterhin an solchen Projekten teilzunehmen.

Können Sie ein paar Worte an die Leser von „Buddhisten für den Frieden" richten?

Der Buddhismus spielt eine äußerst wichtige Rolle, dabei zu helfen, Frieden in der Welt zu schaffen. Seine Heiligkeit der Dalai Lama betont stets, dass die Welt sowohl den materiellen Fortschritt, als auch den spirituellen Fortschritt benötigt. Wenn es in der Welt lediglich materielle Werte gibt, dann bedeutet dies beispielsweise: Wenn wir im Besitz einer Bombe sind, die die Welt hundertmal zerstören kann und dann jemand eine Bombe entwickelt, welche die Erde tausendmal zerstören kann, dass man dies dann als einen Fortschritt ansehen und für gut befinden würde. Wir müssen jedoch auch menschliche Werte in unsere Erwägungen mit einbeziehen. Auf der anderen Seite ist es jedoch auch nicht ausreichend, wenn es lediglich spirituelle Entwicklung gibt und die Menschen nichts zu essen haben. Wenn der Buddhismus und die Wissenschaften allerdings Hand in Hand zusammenarbeiten, dann gibt es wirklich Hoffnung auf dauerhaften Frieden und Glück in der Welt.

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