Tantra: Grundlage, Pfad & resultierende Kontinua

Heute Abend möchte ich mit einem Wochenend-Seminar zu dem Thema beginnen, wie man wirksam Tantra praktiziert. Das ist wichtig für diejenigen von uns, die sich bereits mit Tantra-Praxis befassen, denn es kann sein, dass man diese Praktiken nicht besonders ausübt. Damit unsere Praxis wirksamer wird, müssen wir wissen, was wir zu tun haben. Als erstes müssen wir wissen, was Tantra eigentlich ist. Worauf zielt Tantra ab und wie wird dieses Ziel erlangt?

Das Ziel von Tantra ist dasselbe wie auch das aller anderen Mahayana-Praktiken, nämlich den erleuchteten Zustand eines Buddha zu erlangen. Dabei geht es um unseren eigenen, individuellen Zustand von Erleuchtung. Und wie in allen Mahayana-Praktiken wollen wir diesen erreichen, um jedem auf bestmögliche Weise helfen zu können. Was die Art und Weise betrifft, wie wir dieses Ziel erreichen wollen, so werden wir natürlich alle Methoden anwenden, die in den Sutra-Lehren dargelegt sind, aber zusätzlich fügen wir noch einige weitere Methoden hinzu. Es ist sehr wichtig, niemals zu denken, dass die Sutra- und Tantra-Praktiken völlig voneinander getrennt wären und nichts gemeinsam hätten. Alles, was in der Sutra-Praxis enthalten ist, ist auch in der Tantra-Praxis zu finden; doch nicht alles aus der Tantra-Praxis ist auch im Sutra zu finden.

Das Wort „Tantra“ selbst hilft uns zu verstehen, was eigentlich im Tantra vorgeht. Das Sanskrit-Wort „Tantra“ hat zwei Bedeutungen. Einerseits bedeutet es einen immer währenden Strom von Kontinuität, also etwas, das sich ewig immer weiter erstreckt. Die zweite Bedeutung des Wortes ist eine Art Erweiterung dieser Bedeutung eines immer weiter fortgesetzten Verlaufs und bezieht sich auf die Fäden auf einem Webstuhl, an dem man etwas webt.

Wenn von einem immer währenden Kontinuum die Rede ist, können wir drei Ebenen unterscheiden. Es gibt die Ebene der Grundlage, die Ebene des Pfades, und die Ebene des Resultats. Die Ebene der Grundlage bezieht sich auf alle Faktoren der Buddha-Natur, mit anderen Worten, auf all die Faktoren, die uns befähigen, ein Buddha zu werden. Dabei handelt es sich um Qualitäten oder Aspekte unseres geistigen Kontinuums, mit anderen Worten, etwas, das sich von Augenblick zu Augenblick, von einem Leben zum anderen fortsetzt, ohne Anfang und ohne Ende. Das ist die Grundlage, die wir alle haben, und zwar nicht nur Menschen, sondern alle Wesen, denn wir können in einem Leben als Mensch wiedergeboren werden und in einem anderen Leben als Insekt oder irgendeine andere Lebensform mit einem Bewusstsein. Ein Bewusstsein zu haben schließt hier jede Lebensform mit ein, die mit einer Absicht handeln kann – also in gewisser Weise mit karmischen Impulsen, etwas mit einer bestimmten Absicht zu tun. Es geht hier also nicht um Steine oder Pflanzen oder so etwas. All diese Faktoren der Buddha-Natur bilden jedenfalls die Grundlage. Wir werden darauf noch näher eingehen, aber zuerst möchte ich die Struktur darlegen.

„Pfad“ bezieht sich auf eine Praxis, die wir ausüben können, und deren Elemente bzw. Aspekte ebenfalls keinen Anfang und kein Ende haben, also ein Kontinuum bilden. Denn obwohl wir grundsätzlich all diese Qualitäten und Aspekte haben, die uns befähigen, ein Buddha zu werden, sind diese nicht auf die Art und Weise eines Buddha aktiv, weil sie von verschiedenen Schleiern und Hindernissen verhüllt werden, sodass wir uns ihrer nicht bewusst sind und die ihre Funktionsfähigkeit einschränken. Deshalb brauchen wir eine Praxis, die es uns ermöglicht, diese Schleier zu beseitigen, die Blockaden loszuwerden und die Aspekte der Buddha-Natur stärken, damit sie vollständig wirksam werden. Am wirksamsten ist dafür eine Praxis, die uns hilft, diese Schwierigkeiten zu bereinigen, und zwar eine Methode, die eine Art von Kontinuität aufweist – die immer verfügbar ist. Das ist unsere Praxis des Tantra. Auch darauf werden wir noch näher eingehen: worauf diese Methode sich eigentlich bezieht.

Was nun die Ebene des Resultats betrifft: Das, was wir erlangen bzw. erreichen wollen, ist der erleuchtete Zustand eines Buddha, in dem all diese Qualitäten und Aspekte vollständig zur Wirkung kommen, und zwar als Kontinuum, das sich für immer fortsetzt.

Im Grunde ist Tantra also eine sehr wirksame Methode, um die Hindernisse zu bereinigen, die verhindern, dass die Aspekte unserer Buddha-Natur vollständig als Buddha zur Wirkung kommen. Das ist es, ganz einfach ausgedrückt, worum es beim Tantra geht.

Betrachten wir nun, worum es sich bei den Faktoren der Buddha-Natur handelt. Es gibt mehrere Arten, das darzustellen. Eine wichtige Darstellung lautet, dass wir zwei Netzwerke haben – manchmal werden sie „die zwei Ansammlungen“ genannt. Wir haben ein Netzwerk positiver Kraft – das wird manchmal als „Ansammlung von Verdienst“ bezeichnet; und wir haben ein Netzwerk tiefen Gewahrseins, manchmal auch „Ansammlung von Weisheit“ oder „von Einsicht“ oder Ähnliches genannt. Worum geht es dabei? Wie kann es sein, dass wir das seit jeher, ohne Anfang, besitzen?

Wie gesagt, ein Geisteskontinuum zu haben ist gleichbedeutend damit, ein bewusstes Wesen zu sein – wörtlich lautet der Ausdruck eigentlich: ein „begrenztes Wesen“, d.h. ein Wesen mit einem Geist, der begrenzt ist – und damit ist nicht eine Art Schwachsinnigkeit oder so etwa gemeint, sondern nur, dass er eben nicht auf vollkommene Weise funktioniert. Dieser Geist – die geistige Aktivität, die Augenblick für Augenblick stattfindet – ist fähig, etwas zu erkennen. Wir haben die Fähigkeit, etwas zu erkennen. Aber diese Fähigkeit, etwas zu erkennen, ist begrenzt, sie ist getrübt durch etwas, das fehlende Gewahrsein, in einigen Sprachen auch „Unwissenheit“, genannt wird. Im Grunde heißt das, dass wir uns eines Sachverhalts entweder einfach nur nicht gewahr sind oder ein falsches Verständnis davon haben, z.B. Ursache und Wirkung nicht kennen: die Wirkung unseres Verhaltens, und nicht wissen, auf welche Weise wir und andere existieren und wie überhaupt alles existiert, denn das ist nicht offenkundig –

Wir denken z.B., wenn wir jemanden anschreien, würde ihn das irgendwie dazu bringen, zu tun, was wir wollen, und wir würden dann gemocht werden – was natürlich keineswegs immer gelingt – und dass uns das glücklicher machen wird. Wir verstehen nicht, dass jemanden unfreundlich zu behandeln dazu führt, dass wir noch unglücklicher werden und noch mehr Probleme bekommen. Oder wir denken, wenn wir andere irgendwie ausnutzen können, würden wir glücklicher. Entweder wissen wir nicht, wozu das führt, oder wir haben ein falsches Verständnis davon. Wir meinen z.B., dass wir die Umwelt verschmutzen könnten, ohne dass das Folgen hat. Das ist eine völlig verkehrte Sichtweise, nicht wahr?

Das Gleiche gilt in Bezug auf die Realität: wir denken, wir können etwas tun, und das würde isoliert ganz für sich bestehen. Wir wissen nicht – oder wir verstehen es falsch -, dass alles miteinander in Verbindung steht. Nichts existiert für sich allein. Und aufgrund dieses fehlenden Gewahrsein haben wir alle möglichen störenden Emotionen. Wir entwickeln Gier und Anhaftung und Lüsternheit: Wenn ich etwas Bestimmtes kriegen kann, wird mich das glücklich machen. Und Ärger und Abneigung: Wenn es mir gelangt, etwas aus dem Weg zu schaffen, wird mich das glücklich machen; ich werde dann sicher sein. Und Naivität: Wenn ich etwas einfach ausblende und mich damit nicht befassen muss, so als würde es nicht existieren, wird es mir gutgehen. Aufgrund dieser störenden Emotionen handeln wir dann entweder destruktiv oder eventuell sogar konstruktiv, wobei allerdings hinter den konstruktiven Verhaltensweisen auch wieder Naivität steckt: Ich bin nett zu jemandem, damit er mich liebt, oder um das Gefühl zu haben, gebraucht zu werden, oder irgendetwas in der Art.

Auf diese Weise zu handeln wird „karmisches Verhalten“ genannt. Es ist ein Handeln im Rahmen von Karma – so nennen wir das -, und es führt zu verschiedenen karmischen Hinterlassenschaften, zu Tendenzen – es baut Tendenzen auf -, Potenziale, Gewohnheiten. Aus konstruktivem Handeln baut sich das auf, was ich positive Kraft oder positives Potenzial nennen würde – normalerweise wird das als „Verdienst“ übersetzt. Und aus negativem, destruktivem Handeln, baut sich negative Kraft bzw. negatives Potenzial auf; das wird manchmal unglücklicherweise als „Sünde“ übersetzt. Aber die Worte „Verdienst“ und „Sünde“ vermitteln eigentlich nicht die richtige Bedeutung. Wir sprechen nur von positiver und negativer Kraft, positivem und negativem Potenzial.

Es handelt sich um die positive Kraft bzw. das positive Potenzial, unsere gewöhnliche Art von Glück erfahren zu können und die so genannten besseren oder glücklicheren Arten von Wiedergeburt – etwa eine menschliche Wiedergeburt usw. – erleben zu können. Beim negativen Potenzial bzw. bei negativer Kraft handelt es sich um ein Potenzial bzw. die Kraft, Unglücklichsein, Schmerz usw. erleben zu können sowie Wiedergeburt in einem der schlimmeren Bereiche – etwa als Tier oder als Geist. Natürlich kann es in jedem Wiedergeburts-Zustand Glück und Unglücklichsein geben, aber hier geht es darum, was zu Glück sowie auch zu besserer Wiedergeburt führt und was zu Unglücklichsein und schlimmeren Wiedergeburten führt – also Glück in irgendeiner Wiedergeburt oder Unglück in irgendeiner Wiedergeburt.

Wir alle erleben, dass wir manchmal glücklich und manchmal unglücklich sind. Davon gibt es verschiedene Ausmaße; es muss nicht unbedingt sehr intensiv sein. Doch wir alle erleben das. Das zeigt, dass wir alle irgendeine Art positiver Kraft und irgendeine Art negativer Kraft haben, ein gewisses positives und negatives Potenzial. Was nun geschieht, ist Folgendes: Wir haben auch störenden Emotionen – das wurde bereits erwähnt – und diese störenden Emotionen sind das, was diese Potenziale für das Hervorbringen einer weiteren Wiedergeburt aktiviert, und je nachdem, was für eine Gruppe von Potenzialen aktiviert wird, ist das dann eine bessere Wiedergeburt mit mehr oder weniger guten Umständen oder aber eine schlimmere Wiedergeburt mit mehr oder weniger guten Umständen.

Was hier im Zusammenhang mit den Faktoren der Buddha-Natur von Bedeutung ist, ist die positive Kraft, das positive Netzwerk. Und weil wir seit anfangsloser Zeit immer wieder neue Wiedergeburten erleben, wirken all diese Netzwerke positiver Kraft zusammen. Deswegen nennen wir sie Netzwerk; es handelt sich nicht nur um eine Ansammlung von Dingen ohne Verbindung miteinander. Dieses Netzwerk positiver Kraft ist ein Faktor der Buddha-Natur, denn es kann, wenn es sich in einem anderen Zustand befindet und nicht mit Verwirrung verknüpft ist, die Art von Glück entstehen lassen, die ein Buddha erlebt – dazu beitragen, sollte ich wohl sagen. Mit anderen Worten: Wir können es verwenden, um das Glück eines Buddha zu erlangen. Wenn diese positive Kraft, wie ich sagte, von störenden Emotionen aktiviert wird, kann sie unsere gewöhnlichen Erscheinungen in einem der besseren Wiedergeburts-Zustände entstehen lassen, etwa als Mensch. Doch wenn sie gereinigt ist – d.h., wenn wir die störenden Emotionen usw. beseitigen – kann sie zu Ursache werden, die den reinen Körper eines Buddha entstehen lässt. Dieses Netzwerk positiver Kraft ist also einer der Faktoren unsere Buddha-Natur.

Zudem haben wir jenes zweite Netzwerk, das Netzwerk tiefen Gewahrseins. Dazu gehören viele Ebenen tiefen Gewahrseins, aber grundsätzlich bezieht es sich darauf, wie der Geist – die geistige Aktivität – in den verschiedenen Wiedergeburts-Zuständen funktioniert. Ohne hier in die technischen Einzelheiten zu gehen – wie funktioniert geistige Aktivität? Sie kann Informationen in Kategorien gleicher Arten zusammenstellen und auf diese Weise etwas verstehen, sie kann z.B. zwei Gegenstände gleichermaßen als „Nahrung“ erkennen. Selbst ein Wurm kann das. Und sie hat die Fähigkeit, etwas gesondert zu erkennen. Ich kann z.B. innerhalb all dessen, was ich in meinem Gesichtsfeld sehe, diese Wasserflasche als einen gesonderten Gegenstand erkennen. Das kann jeder. Und wenn ich zwei Wasserflaschen vor mir sehe, kann ich auf eine davon zeigen und sie gesondert erkennen. Dazu sind wir imstande. So funktioniert der Geist. Eine weitere Fähigkeit geistiger Aktivität ist, zu wissen, wie man mit etwas umgeht bzw. wie man etwas benutzt. Ich weiß, dass ich, um das Wasser zu trinken, die Flasche nehmen muss, den Verschluss abschrauben und die Flasche an den Mund setzen muss. Auch Würmer wissen, wie sie Nahrung zu sich nehmen müssen. Wir wissen, wie wir etwas machen müssen. Und wir wissen, was etwas ist. Wir haben vielleicht keinen Namen dafür; ein Wurm hat keinen Namen für Wasser, aber er weiß, was das ist – etwas, das wir mit dem Wort „Wasser“ bezeichnen würden.

Das können wir also als eine ganz grundlegende Art von tiefem Gewahrsein bezeichnen. Es ist etwas sehr Elementares. „Tief“ bezieht sich hier auf grundlegend. Manchmal kann es auch „tiefgründig“ bedeuten; aber hier in diesem Fall bedeutet es grundlegend. „Tief“ also in diesem Sinne; es ist klar, dass wir das alle haben, denn das sind die elementarsten angeborenen Merkmale geistiger Aktivität: wie der Geist funktioniert. Aber zur Zeit sind sie begrenzt. Sie funktionieren nicht im größtmöglichen Ausmaß an Wirksamkeit. Ganz einfach: Wir sind imstande, Informationen aufzunehmen, aber wie viele von uns könnten sich daran erinnern, wie jeder in diesem Raum gekleidet ist und all so etwas? Obwohl die Information auf uns einströmt, sind wir in unserem Umgang damit ziemlich eingeschränkt. Doch das Netzwerk tiefen Gewahrseins – denn wir haben viele Momente davon, und sie wirken zusammen – kann, wenn die Einschränkungen beseitigt werden, so vollkommen wie der Geist eines Buddha funktionieren.

Wir haben also die grundlegenden Faktoren der Buddha-Natur, die normalerweise nur dazu beitragen, uns immer wieder weitere Wiedergeburten mit Einschränkungen einzubringen, manchmal gewöhnliches Glück, das nicht andauert, manchmal Unglücklichsein, immer auf und ab, und sie führen zu geistiger Aktivität, jedoch begrenzter geistiger Aktivität. Das ist das, was grundsätzlich abläuft. Doch wenn sie gereinigt sind, können diese beiden Netzwerke statt einer Wiedergeburt als irgendein begrenztes Wesen mit begrenztem Geist und begrenztem Körper den Körper und Geist eines Buddha entstehen lassen.

Wir haben noch viele andere Aspekte der Buddha-Natur, und es gibt viele Erklärungssysteme dafür. Wir alle haben einen Körper; wir haben die Fähigkeit zu kommunizieren – das, was „Sprache“ genannt wird -, und einen Geist: die Fähigkeit, etwas zu erkennen. Und wir alle haben einige grundlegende gute Qualitäten. z.B. Warmherzigkeit, die Fähigkeit, sich um jemanden zu kümmern – und sei es nur, uns um uns selbst zu kümmern, aber jedenfalls die Fähigkeit, sich überhaupt um jemanden zu kümmern – sowie die Fähigkeit, Leiden zu vermeiden, und sei es nur unser eigenes. Sie sehen: Das wird die Grundlage für Liebe und Mitgefühl, wenn es gereinigt wird – für das unbegrenzte Ausmaß von Liebe und Mitgefühl, meine ich, nicht nur dafür, dass ich dafür sorge, selbst glücklich zu sein und Unglücklichsein zu vermeiden, sondern mich darum kümmere, dass jeder glücklich und frei von Leiden ist.

Das sind Liebe und Mitgefühl in unbegrenztem Ausmaß. Aber als grundlegende Fähigkeit haben wir sie. Zusätzlich zu Körper, Sprache, Geist und guten Qualitäten haben wir auch die, Fähigkeit der Aktivität. Wir tun etwas. Als Buddha könnten wir alles tun, um anderen zu nutzen, nicht nur die begrenzte Anzahl von Dingen, die wir jetzt tun können.

Das ist die Erklärung der Ebene der Grundlage. Es gibt ein Kontinuum; wir haben stets all diese verschiedenen Aspekte. Außerdem existiert unser Geisteskontinuum nicht auf irgendeine unmögliche Weise. Eine unmögliche Existenzweise wäre z.B., dass es sich niemals weiterentwickeln kann, dass wir die Beschränkungen nie beseitigen könnten, und Ähnliches mehr. So etwas ist unmöglich. Das ist in unserem Zusammenhang ein sehr wichtiger Aspekt: dass all diese Qualitäten beeinflusst werden können. Sie werden von Ursachen und Umständen beeinflusst. Sie können wachsen. Die Beschränkungen usw. können von Ursachen und Umständen beeinflusst werden: Sie können verringert werden; sie können beseitigt werden. All das existiert nicht auf die unmögliche Weise, dass es isoliert, eingefroren, feststehend wäre.

Auf der resultierenden Ebene, als Buddha, würden all diese verschiedenen Aspekte und Qualitäten von uns ohne jede Einschränkung in vollem Ausmaß zur Wirkung kommen. Sie alle wären gleichzeitig vorhanden und aktiv und würden zusammenwirken. Deshalb möchten wir eine Methode zur Verfügung haben, die uns befähigen wird, mit jener Grundlagen-Ebene etwas zu tun, um die Ebene des Resultats zu erreichen, sodass die grundlegende Ebene, statt sich immer weiter auf begrenzte Weise fortzusetzen, sich für immer als ein Kontinuum – „Tantra“ – auf die vollkommen effektive Weise eines Buddha fortsetzt. Was wir also als Methode wollen, um imstande zu sein, die Ebene des Resultats zu erreichen, ist eine Art von Praxis, die alle Faktoren der grundlegenden Ebene einsetzt, und zwar gleichzeitig einsetzt, nämlich als Mittel, das uns hilft, als Ergebnis dieses Ziel zu erreichen. Und um wirklich effektiv zu sein, möchten wir eine Methode anwenden, die ähnlich oder parallel zu dem ist, was wir auf der Ebene der Grundlage haben, sowie zu dem, was wir auf der Ebene der Grundlage haben.

Dafür gibt es die Praktiken des Tantra, die als Pfad fungieren. Mit anderen Worten, die Tantra-Praktiken, die wir als Pfad verwenden, um diesem resultierenden Zustand, den erleuchteten Zustand eines Buddha, zu erreichen. Wir möchten eine Art von Praxis anwenden, die auf etwas basiert, das – entsprechend der Bedeutung des Wortes „Tantra“ – ohne Anfang und Ende ist. Das bezieht sich auf die verschiedenen Buddha-Gestalten, mit denen wir uns dabei befassen: die so genannten tantrischen Gottheiten. Wenn dafür das Wort „Gottheit“ verwendet wird, dann ganz gewiss nicht im Sinne eines Schöpfergottes oder im Sinne der hinduistischen oder antiken griechischen Götter. Das ist damit ganz und gar nicht gemeint. Der Ausdruck bezeichnet vielmehr eine „besondere Art Gottheit“ bzw. eine Art Gott, die über diese üblichen Arten von Göttern hinausgeht. Im Englischen wird deswegen dafür das Wort „deity“ (Gottheit) verwendet, weil „Gott“ die Bedeutung „Schöpfer“ beinhalten würde. Aus diesem Grund verwenden wir das Wort „Gottheit“. Aber ich bevorzuge es, diese Terminologie zu vermeiden, weil sie für viele Menschen ziemlich verwirrend sein kann.

Eigentlich ist dieser Ausdruck „besondere Art Gott“ ein tibetische Begriff. Der Sanskrit-Begriff, der dem zugrunde liegt, bezieht sich auf eine Art Gottheit, die eingesetzt wird, um ein erwünschtes Ziel zu erreichen. Dieses „Erwünschte“ ist es, was in dem Sanskrit-Begriff – ishtadevata – zum Ausdruck kommt. Es handelt sich um eine göttliche Form, die wir einsetzen, um unser erwünschtes Ziel zu erreichen – das nicht darin besteht, in den Himmel zu kommen oder reich zu werden, sondern Erleuchtung zu erlangen. Ich glaube, die Tibeter merkten, dass es ziemlich missverständlich wäre, das Wort buchstäblich in ihre Sprache zu übersetzen, und deswegen übersetzten sie den Begriff als „besondere Art Gottheit“. Und vielleicht wird das Wort „Gottheit“ verwendet, weil die Art von Gestalt, um die es dabei geht, eine sehr subtile Form von Körper ist, nicht so etwas wie unser gewöhnlicher materieller Körper. Aber es gibt noch einen anderen Begriff, der im Tibetischen dafür benutzt wird, nämlich „Yidam“. „Yi“ bedeutet Geist, und „dam“ ist eine Kurzform von „dam-tshig“ – was die Bezeichnung für eine enge Bindung ist. Es handelt sich also um eine Gestalt, zu der man eine enge Verbindung herstellt, eine enge Bindung für unseren Geist, um unser erwünschtes Ziel zu erreichen, nämlich Erleuchtung.

Was finden wir also vor? Wir befassen uns hier mit Gestalten, die traditioneller indischer Herkunft sind; sie haben eine bestimmte Formenvielfalt und vielerlei Farben. Oft haben sie mehrere Gesichter und zahlreiche Arme und Beine. Sie ändern sich von Augenblick zu Augenblick. Was bedeutet das? Es bedeutet nicht, dass sie älter werden oder krank oder vom Kleinkind zum Erwachsenen werden. Vielmehr bedeutet es, dass wir, wenn wir uns in dieser Form visualisieren, vielerlei Dinge tun können, und zeitweise können wir uns dessen bewusst sein, zeitweise sind wir uns dessen nicht bewusst. In diesem Sinne ändert sich die Gestalt von Augenblick zu Augenblick. Sie ist nichts Statisches. Sie gehört zu einer bestimmten Kategorie von Phänomenen, nämlich zur so genannten statischen Art nicht-statischer Phänomene. Sie ist nicht statisch – sie existiert veränderlich Augenblick für Augenblick -, doch sie ist ewig in dem Sinne, dass sie keinen Anfang und kein Ende hat. Mit anderen Worten, sie existiert in einer bestimmten Form: Sie muss nicht aufwachsen, zur Schule gehen, alt werden usw. Insofern ist sie stets und für immer in derselben Form vorhanden, sodass wir sie als Meditationsobjekt verwenden können. In diesem Sinne bildet sie ein Tantra, einen immer währenden, kontinuierlichen Strom. Einige von ihnen können jedoch gewissermaßen einer Person nachgebildet sein, der oder die ein begrenztes Wesen war – etwa Tara, die eine Frau war. In einem bestimmten Leben war sie eine Frau und gelobte, in weiblicher Form Erleuchtung zu erreichen, um Frauen zu ermutigen, Erleuchtung zu erlangen. Es gab also ein Wesen namens Tara, und die eigentliche Buddha-Gestalt Tara ist ihr in gewisser Weise nachgebildet.

Mit unserer Praxis möchten wir erreichen, dass das Netzwerk positiver Kraft, statt in einer Wiedergeburt einen gewöhnlichen Körper entstehen zu lassen, uns selbst in Form einer Buddha-Gestalt – etwa Tara oder Manjushri – entstehen lässt. Und wir möchten, dass unser Netzwerk tiefen Gewahrseins, statt eine begrenzte Art von Geist mit begrenzter Verständnisfähigkeit hervorzubringen, den Geist eines Buddha mit allen geistigen Qualitäten hervorbringt, einschließlich dessen, was wir im Westen als Herz und Geist differenzieren: Verständnisfähigkeiten, Erkenntnisfähigkeiten sowie Mitgefühl und Liebe – also auch all die Aspekte, die wir als Herzensqualitäten einstufen.

Wir möchten, dass unsere Sprache wie die eines Buddha wird, also uneingeschränkt in ihrer Kommunikationsfähigkeit, doch imstande, mit jedem so zu kommunizieren, dass es tatsächlich verständlich für ihn wird, sodass er es verstehen kann. Und wir möchten imstande sein zu handeln, wie ein Buddha handelt, nämlich so, dass es jedem nützt. Tatsächlich ist die Art, wie ein Buddha anderen nützen kann, als „erleuchtender Einfluss“ bekannt, mit anderen Worten: Sie findet mühelos statt. Ein Buddha tut eigentlich nicht etwas, sondern dieser positive Einfluss eines Buddha regt andere an, sodass sie wachsen und sich auf positive Weise entwickeln können. Das heißt natürlich: Wenn sie dafür empfänglich sind. Sie müssen für den erleuchteten Einfluss eines Buddha empfänglich sein.

Da wir auf der Ebene des Resultats all diese Aspekte gleichzeitig haben möchten – tatsächlich haben wir sie auf der Ebene des Resultats alle gleichzeitig, und auf der Ebene der Grundlage haben wir sie eigentlich ebenfalls alle gleichzeitig. Sie sind alle vorhanden. Im Sinne unseres Tantra, das ein Pfad ist, also unserer Praxis, möchten wir ebenfalls all diese verschiedenen Aspekte gleichzeitig üben. Und genau das ist es, was wir in der Tantra-Praxis tun.

Das ist also die andere Bedeutung von Tantra: So, wie man mit Fäden auf einem Webstuhl verschiedene Gewebe herstellen kann, so bildet unsere Tantra-Praxis mit all den Armen und Beinen und Gesichtern eine Struktur, um all die verschiedenen Aspekte miteinander verweben zu können, die wir in der Praxis auf des Sutra-Ebene entwickelt haben. All die Arme und Beine und Gesichter, all die Gegenstände, die sie tragen, und auch die Farben stellen verschiedene Aspekte dieser Qualitäten dar, verschiedene Aspekte der Praktiken, mit denen man diese Qualitäten erlangt, usw.; und für viele davon gibt es nicht nur eine, sondern mehrere Ebenen dessen, was sie repräsentieren.

Wir stellen uns also vor – anfangs arbeitet man mit der Vorstellungskraft -, dass wir den Körper einer solchen Gestalt haben, und behalten all das im Sinn, was durch die Arme und Beine und Gesichter symbolisiert wird. Wir versuchen nicht, uns an eine Liste zu erinnern, sondern tatsächlich das hervorzubringen, was diese Attribute repräsentieren. Wir haben also diese Aspekte von Körper, Sprache und Geist, all diese guten Qualitäten. Gleichzeitig bringt unsere Sprache Mantras zum Ausdruck, und wir stellen uns vor, dass sie imstande ist, mit jedem zu kommunizieren und jeden zu lehren, jedem zu helfen – jeder versteht sie.

Zudem spielt sich Buddha-Aktivität ab – dieser erleuchtende Einfluss: Wir stellen uns gleichzeitig vor, dass wir Licht ausstrahlen, das alle erreicht und all ihre Probleme lindert, allen Wesen gute Qualitäten zukommen lässt, Gaben darbringt usw. All das geschieht, während wir als ein Buddha, als Buddha-Gestalt anwesend sind, ohne dass wir tatsächlich aufstehen und losgehen müssten, um ihnen auf eher physische Weise zu helfen. Allein durch unsere Gegenwart, indem dieses Licht ausstrahlt, wird ihnen geholfen, werden sie auf positive Weise beeinflusst, so dass sie ihre Probleme lösen können.

All das tun wir in der Tantra-Praxis gleichzeitig; es läuft zur selben Zeit ab. Auf diese Weise wirkt es als Ursache – quasi als Pfad – dafür, den „echten“ Zustand zu erreichen, in dem all diese Aspekte vollständig als Qualitäten und Aspekte eines erleuchteten Buddha zur Wirkung kommen.

Wir hatten festgestellt: Auf der Ebene der Grundlage, auf der wir die Einschränkungen aufgrund unseres fehlenden Gewahrseins, unserer Verwirrung hinsichtlich der Realität und der störenden Emotionen haben, aktivieren diese die karmischen Potenziale und wir erlangen eine Wiedergeburt mit weiteren Leiden, weiterer Verwirrung, weiterem impulsiven karmischen Verhalten – weitere Einschränkungen. Um die resultierende Ebene eines Buddha aus den erwähnten Netzwerken hervorzubringen, ist es daher in der Tantra-Praxis überaus wichtig, beruhend auf dem Verständnis der Leerheit zu beginnen.

Leerheit bedeutet eine Abwesenheit. Etwas ist abwesend; es war niemals da. Wir haben Vorstellungen; der Geist projiziert eine bestimmte Art und Weise, wie die Dinge existieren. Mit anderen Worten: Er lässt die Dinge auf eine Art und Weise erscheinen, die in Wirklichkeit unmöglich ist. Ein ganz einfaches Beispiel – vielleicht auch nicht so einfach: Wir alle verschmutzen die Umwelt. Unser Geist lässt das auf eine Art und Weise erscheinen … – wie erscheint es? Es scheint, als würden wir etwas tun – wir rauchen; wir produzieren Autoabgase oder was auch immer – und die Handlung scheint einfach so für sich zu existieren. Unser Geist lässt nicht ihre Wirkung erscheinen, nicht wahr? Es scheint also so, als könnten wir etwas tun und es hätte keine Wirkung. Doch das entspricht nicht der Realität, nicht wahr? Ein tatsächliches Bezugsobjekt für diese Erscheinung – das wirklich so existieren würde, wie es erscheint, nämlich: eine Handlung, Umweltverschmutzung, ohne Wirkung – gibt es nicht. Das ist es, was abwesend ist. Es gibt in der Realität nichts, das dieser täuschenden Erscheinung entspricht, welche unser Geist entstehen lässt.

Wir haben mit unserer Art von Gehirn, mit dieser Art von Körper, diesen Sinnen eine begrenzte Ausstattung. Wir können damit die Wirkung unserer Handlungen zu der Zeit, wenn wir sie begehen, nicht wirklich sehen bzw. wahrnehmen. Wenn wir nun glauben, diese Erscheinungsweise würde der Realität entsprechen, dann entwickeln wir alle möglichen störenden Emotionen, Verwirrung usw. Das aktiviert die karmischen Potenziale, eine weitere Wiedergeburt mit einem wiederum begrenzten Körper und begrenzten Geist, mit weiterem Unglücklichsein und gewöhnlichem Glück, das nie andauert und nie zufriedenstellt, hervorzubringen.

Damit diese Netzwerke so etwas wie einen Buddha, den Körper und Geist eines Buddha entstehen lassen – bzw. auf der Übungsebene, der Ebene des Pfades, die Visualisation einer Buddha-Gestalt und etwas in der Art von Sprache und Geist eines Buddha -, müssen wir zunächst das Verständnis der Leerheit entwickeln. Wir müssen verstehen, dass all die Faktoren der Buddha-Natur nicht auf unmögliche Weise existieren, dass die Buddha-Gestalten nicht auf unmögliche Weise existieren, dass Buddhas nicht auf unmögliche Weise existieren. Mit diesem Verständnis, frei von störenden Emotionen, frei von Unwissenheit bzw. fehlendem Gewahrsein – zumindest in dem Maße, in dem wir es haben -, können wir uns dann vorstellen, dass die Faktoren der Buddha-Natur, statt den begrenzten Körper und Geist einer Wiedergeburt hervorzubringen, diese reineren Formen, die Formen einer Buddha-Gestalt, entstehen lassen.

Allein schon imstande zu sein, diese Art von Praxis durchzuführen, sie mit einem Verständnis der Leerheit zu beginnen und aufrechtzuerhalten – nämlich mit dem Verständnis, dass nichts davon auf unmögliche Weise existiert, alles miteinander verbunden ist, Ursache und Wirkung hat -, und sei es mit unserem Ausmaß an begrifflichem Verständnis auch nur in unserer Vorstellung -, wird schließlich zu einer Ursache werden, wird sich immer weiter vertiefen, sodass wir diese Umwandlung zur Reinheit schließlich wirklich vollziehen können und damit den resultierenden Zustand eines Buddha erlangen.

Wenn wir unsere Tantra-Praxis tatsächlich wirksamer machen wollen, müssen wir also wirklich die Theorie von Tantra verstehen. Was tun wir eigentlich in der tantrischen Praxis, und warum? Wir brauchen ein gewisses grundlegendes Verständnis, wie das alles funktioniert – wie es funktionieren kann und wie es tatsächlich funktioniert.

Das ist die grundlegende Einführung, und wir werden nun mit einer Beschreibung der verschiedenen Teile der Art von tantrischer Praxis fortfahren, mit der die meisten von uns sich – falls wir überhaupt Tantra praktizieren – befassen, nämlich der Praxis einer Sadhana. „Sadhana“ ist ein Sanskrit-Wort und bezeichnet eine Methode, sich selbst als eine dieser Buddha-Gestalten hervorzubringen. Die wörtliche Bedeutung lautet: Methode zur Verwirklichung. Wir werden ihre unterschiedlichen Teile betrachten und das Augenmerk darauf richten, wie wir die Praxis eines jeden dieser Teile wirksamer ausführen können.

Möglicherweise haben Sie irgendwelche Fragen?

Fragen

Wir sprechen von unmöglichen Existenzweisen der Phänomene. Wenn wir von unmöglichen Existenzweisen sprechen und sie widerlegen, also sagen: so etwas gibt es nicht, dann gibt es auch eine Art und Weise, wie Phänomene existieren, richtig?

Ja, gewiss. Ich weiß nicht, ob das klar zum Ausdruck gekommen ist, aber ich denke, Ihre Frage ist: Wenn wir unmögliche Existenzweisen widerlegen, heißt das, dass es auch mögliche Arten von Existenz gibt? – Ja, natürlich. Die Dinge existieren.

Genauer: Die Theorie der Leerheit besagt, dass eigentlich etwas widerlegt wird, was vermeintlich beweist, dass etwas existiert. Woher wissen wir, dass etwas existiert? In Bezug darauf gibt es verschiedene Standpunkte. Was widerlegt wird, ist das, von dem gemäß diesen Standpunkten angenommen wird, dass dies ausreichen würde, um zu beweisen, dass etwas existiert. – Nein, ich nehme das zurück. Das war nicht ganz präzise formuliert. Lassen Sie es mich genauer ausdrücken.

Man könnte denken, dass es eine bestimmte Art und Weise – eigentlich eher eine Kombination – gibt, wie die Dinge existieren, und dass es etwas gibt, das beweist bzw. begründet, dass sie so existieren. Zum Beispiel könnte man meinen: Die Dinge existieren wahrhaft von ihrer eigenen Seite aus, objektiv, eben da, wo sie sich befinden, vor unseren Augen. Als Beweis dafür wird angegeben, dass sie ja eine Funktion erfüllen. Man nimmt an: Dieser Tisch existiert. Er steht genau dort, für sich allein, so, wie er für mich aussieht. Und erwiesen ist das dadurch, dass man ein Glas Wasser darauf stellen kann und er es tragen wird; er erfüllt eine Funktion. – Nun, niemand wird abstreiten, dass der Tisch eine Funktion erfüllt. Er erfüllt eine Funktion, er trägt das Glas. Aber das beweist nicht, dass der Tisch als Tisch existiert. Ganz von sich aus wahrhaft als Tisch zu existieren – das ist es, was unmöglich ist, auch wenn er solch eine Funktion erfüllt. Denn ich kann ja auch darauf sitzen – dann ist es ein Stuhl. Ich kann ihn verbrennen, dann ist er Feuerholz. Wenn ich ein Insekt bin, eine Termite z.B. – Sie wissen schon, diese kleinen Insekten, die sich von Holz ernähren – , dann kann ich ihn essen; dann ist er Nahrung. Nur dass man ein Glas Wasser darauf stellen kann, beweist noch nicht, dass er von seiner eigenen Seite aus als solcher existiert: ein Tisch, und von sich aus ein Tisch und nichts anderes ist.

Wenn hier in unserem Zusammenhang von unmöglichen Existenzweisen die Rede ist, so ist es ein bisschen komplizierter. Eine unmögliche Existenzweise zu widerlegen ist eine ziemlich komplexe Angelegenheit. Es hat damit zu tun, wie etwas existiert und wodurch das erwiesen wird, also was das beweist. Die Tatsache, dass etwas eine Funktion als Tisch erfüllt, beweist nicht, dass es von seiner eigenen Seite aus wahrhaft als Tisch begründet ist. Nun wird die Sache gleich sehr subtil und sehr kompliziert. Es kann für jemanden, der es als Stuhl benutzt, als Stuhl fungieren. Es kann als Nahrung für jemanden fungieren, der es essen kann. Es kann als Feuerholz für jemanden fungieren, der es verbrennt. Ist es also all das? Oder keines davon? Was ist es? Es gibt zahlreiche Arten von Verständnis der Leerheit, von Verständnis dessen, was unmöglich ist. Etwas kann, wie gesagt, als Tisch, Stuhl, Nahrung, Feuerholz fungieren. Könnte es auch als Hund fungieren? Nein, als Hund kann es nicht fungieren. Als was kann es also fungieren, und als was kann es nicht fungieren, und warum?

Auch als Bank, und all das, was Sie genannt haben – Tisch, Stuhl, Nahrung, Feuerholz – sind all das unmögliche Existenzweisen?

Nein, sie sind möglich. Aber unmöglich ist, dass etwas von seiner Seite aus als solche ein Ding existiert, unabhängig davon, wie es benannt und benutzt wird. Mit anderen Worten: Es gibt etwas daran, das es zum Tisch, Stuhl, Feuerholz usw. macht. Und es gibt nichts daran, dass es zum Hund macht. Es ermöglicht mir nur, es als bestimmte Dinge zu verwenden, aber nicht als andere Dinge. Man muss sehr tief greifend darüber nachdenken. Aber niemand streitet ab, dass es als diese Dinge verwendet werden kann – als das, was möglich ist.

Was heißt „Tisch“ auf Russisch?

Stol.

 Existiert das hier als Tisch oder existiert es als Stol? Was ist es?

Auf solche Fragen trifft man wenn man die Angelegenheit genau untersucht. Was ermöglicht es Ihnen, das hier als „Tisch“ oder „Stol“ zu bezeichnen, aber nicht, es korrekt als „Hund“ zu bezeichnen. Was wäre, wenn eine Gruppe von Leuten beschließen würde: „In unserer Sprache nennen wir das einen ‚Hund‘“? Vielleicht wird es in irgendeiner afrikanischen Sprache „Hund“ genannt. Was bedeutet „Hund“? Was bedeutet es in unserer Sprache? Was ist es? Ist es ein Hund? Allmählich wird es interessant.

Ist es möglich, von einem Tisch zu sprechen außer im Zusammenhang mit unserer Beziehung zur Welt? Kann man von etwas sprechen ohne das Subjekt mit einzubeziehen, das es wahrnimmt? Was ist es, wenn wir das Subjekt weglassen?

Wenn wir das Subjekt weglassen, kann man nicht von etwas reden; es gibt also keine Untersuchung davon, keine Wahrnehmung davon, keine Diskussion darüber ohne ein Subjekt. Die interessante Frage ist nun: Wenn sich niemand in diesem Zimmer befindet und auch keine versteckte Kamera oder so etwas eingeschaltet ist – ist dann hier im Zimmer ein Tisch? Wie beweist man, dass sich im Zimmer ein Tisch befindet? Dass ein Tisch im Zimmer ist, kann man nur beweisen in Verbindung mit einem Subjekt, mit einem Geist, der ihn wahrnimmt. Es gibt keine Möglichkeit, das getrennt davon zu beweisen, unabhängig von seiner Wahrnehmung oder dem Gedanken daran oder einem Namen dafür oder irgend so etwas, das mit einem Geist verbunden ist, der einen Namen hinzufügt.

Darum geht es in dieser ganzen Angelegenheit. Wie beweist man, dass etwas existiert? Der buddhistische Standpunkt ist, dass es unmöglich ist zu beweisen, dass etwas unabhängig von einem Geist existiert. Das heißt aber nicht, dass es nur im Kopf von jemandem existiert.

Aber wenn wir über den Rahmen unseres individuellen Geistes hinausgehen und im Hinblick auf den allumfassenden Geistes eines Buddha sprechen – können wir nicht unter dem Gesichtspunkt des Geistes eines Buddha von diesem Objekt sprechen?

Das können wir, aber es steht in Beziehung zu einem Geist.

Heißt das: Wenn wir den Weg der Meditation beschreiten und immer subtilere Ebenen des Geistes erreichen und unser Ziel der Geist eines Buddha ist – dass wir dann Objekte auf immer subtilere Weise wahrnehmen?

Auf reinere Weise, würden wir sagen – ja. Sowohl im Hinblick darauf, wie etwas erscheint – die Form, in der es erscheint, seine Erscheinung – als auch im Hinblick darauf, wie es zu existieren scheint – also hinsichtlich beidem. Ich möchte nur ein grobes Beispiel anführen; es ist jedoch keine exakte Analogie. Man kann jemanden sehen im Hinblick auf seinen physischen Körper. Man kann ihn aber z.B. Beispiel auch im Hinblick auf seine Energie wahrnehmen.

Wenn ich auf einer Ebene bin, auf der ich Energie sehen kann, subtile Körper, kann ich gleichzeitig auch den physischen Körper sehen, richtig? Aber wenn ich nur den physischen Körper sehen kann, heißt das, dass ich von der Ebene aus, wenn ich begrenzt bin, die andere Ebene – den Körper der subtilen Ebene – nicht wahrnehmen kann, richtig?

Korrekt.

Je subtiler die Ebene meines Bewusstseins ist, umso subtiler ist meine Wahrnehmung – die Art und Weise, wie ich Objekte wahrnehme, richtig?

Ja. Es ist natürlich ein bisschen komplizierter als das. Denn das, was wir beseitigen wollen, ist die Erscheinung, dass Dinge auf eine Art und Weise existieren, die in Wirklichkeit unmöglich ist. Ob wir nun über Körper reden oder über grobe Körper oder subtile Energie – beides kann auf unmögliche Weise erscheinen. Diese Erscheinung einer unmöglichen Existenzweise möchten wir loswerden und wir möchten all die verschiedenen Ebenen wahrnehmen können, als was etwas erscheinen könnte. Ein Buddha z.B. kann in sehr subtilen Formen erscheinen und er kann in gröberen Formen erscheinen.

Damit steht meine zweite Frage in Verbindung: Ist die Form eines Yidam kulturell bedingt oder ist sie für Praktizierende aus jedem Land gleich?

Nun, vom buddhistische Standpunkt aus würde man sagen, sie ist gleich, ungeachtet der Tatsache, aus welcher Kultur wir stammen, obwohl diese Formen aus dem indischen Kulturkreis stammen. Die Frage, die eigentlich gestellt werden müsste, ist: Warum sollte man sie ändern und in was würde man sie ändern? Einige Menschen sagen: „Können wir nicht die Jungfrau Maria und Jesus Christus und solche Gestalten visualisieren?“ Allerdings würden die Christen das ziemlich übelnehmen, wenn wir so damit verfahren würden. Sollten denn indische und tibetische Christen sich am Kreuz einen Buddha vorstellen? Ich meine, das wäre ebenfalls anmaßend. Was sollen wir uns also vorstellen? Sollen wir uns Mickymaus vorstellen? Was sollen wir visualisieren? Welche andere Form sollen wir dafür verwenden?

Zwar mögen diese Gestalten für uns fremdartig sein, aber sie sind auch für Inder und Tibeter fremdartig. Es läuft dort niemand mit drei Gesichtern, sechs Armen und in mehreren Körperfarbe herum. Für sie ist das auch seltsam. Aber die Tibeter verwenden sie, Chinesen verwenden sie, die Japaner verwenden sie. Warum sollten wir anders sein?

Ich habe deswegen gefragt, weil es in lateinamerikanischen Ländern Praktizierende gibt, die Visionen haben, in denen diese Yidams anders aussehen. Es handelt sich beispielsweise um Tara, aber diese Tara hat als zusätzlichen Kopf einen Adlerkopf. Und die Menschen, die dort die Leitung haben, haben diese Formen offiziell anerkannt und sagen, das sei in Ordnung so.

Nun, es ist so, dass jede dieser Gestalten in vielerlei Formen erscheinen kann. Nehmen wir Avalokiteshvara – auf Tibetisch ist das Chenrezig: Er kann weiß sein, und es gibt auch rote Formen; einige sitzen, andere stehen, manche haben zwei Arme, andere haben vier Arme, einige haben 1000 Arme. Es gibt zahlreiche verschiedene Formen eines jeden Yidams, einer jeden Buddha-Gestalt.

Es heißt auch, wenn Praktiken allzu sehr popularisiert worden sind, sodass die Menschen sie banalisieren, werden andere Formen offenbart – entweder in einer Vision oder in verborgenen Schatz-Texten oder dergleichen. Einen Adlerkopf zu haben oder so etwas ist nicht so ungewöhnlich. Es gibt z.B. Formen von Vajrapani, die einen Pferdehals und einen Garuda (das ist eine Art Adler) als Bestandteil aufweisen. Es ist also nichts gar so Besonderes, was Sie von Lateinamerika erzählen. So etwas ist möglich. Es gibt eine Vajrapani-Gestalt mit einem Pferdekopf und einem Garuda, einem Adler, darüber – sie wird „Vajrapani-Hayagriva-Garuda in Verbindung“ genannt. In Indien würde man einen Adler „Garuda“ nennen.

Aber entscheidend ist, dass es im Falle einer anderen Form einer dieser Buddha-Gestalten, die enthüllt worden ist, den Menschen, die ihre Praxis basierend auf dieser Form durchführen, auch möglich sein muss, Resultate zu erzielen. Ihre Wirksamkeit, ihre Gültigkeit, entscheidet sich daran, ob die entsprechende Praxis funktioniert oder nicht. Es geht nicht um eine Halluzinationen irgendeiner verrückten, schizophrenen Person.

Wenn der oder die Praktizierende sich selbst als Gottheit visualisiert, aber nicht das Verständnis der Leerheit hat, wird das dann im Vergleich mit einer Person, die dieses Verständnis hat, einen Unterschied ausmachen?

Oh, mit Sicherheit. Ich meine, das ist es, worüber wir an diesem Wochenende sprechen werden. Ohne Verständnis der Leerheit zu denken, man wäre tatsächlich Tara oder Chenrezig oder was auch immer, wäre nichts anderes als wenn ein Verrückter denkt, er wäre Napoleon oder Kleopatra oder Mickymaus. So etwas kann sehr leicht zu schizophrenen Vorstellungen führen – man stellt sich alle möglichen bizarren Sachen vor und verliert völlig den Bezug zur Realität. Man muss nämlich auch die Leerheit der Buddha-Gestalt verstehen. In den Texten heißt es: Wenn man sich ohne Verständnis der Leerheit und ohne Bodhichitta in diesen Formen visualisiert, wirkt das nur als Ursache dafür, dass man als eine Art Gespenst in Form dieser Gestalt wiedergeboren wird. Aber über diese Dinge werden wir morgen und übermorgen noch sprechen.

Noch eine letzte Frage?

Wenn vom Verständnis der Leerheit die Rede ist, geht es dann um unser begriffliches bzw. intellektuelles Verständnis der Leerheit oder um eine Erfahrung?

Nun, auch begriffliches Verständnis ist eine Erfahrung – wir müssen also hier mit der Terminologie etwas vorsichtig sein. Aber es geht um Folgendes: Zuerst wird das Verständnis ein begriffliches sein, weil das anfangs die einzige Möglichkeit ist, wie es sein kann. Aber dann muss es natürlich zu einem Verständnis werden, das über Begriffe hinausgeht. Es ist hier wirklich sehr wesentlich, den Unterschied zwischen begrifflich und unbegrifflich zu kennen. Es handelt sich dabei nicht um den Unterschied zwischen intellektuell und intuitiv. Das ist eine andere Art, Erfahrungen einzustufen, eine abendländische Art der Unterteilung. Das ist es nicht, was im Buddhismus unter begrifflich und unbegrifflich verstanden wird. Begrifflich bedeutet, etwas mittels einer allgemeinen Kategorie wahrzunehmen, in unserem Zusammenhang mittels der Kategorie „Leerheit“. Jedes Mal, wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf die Leerheit richten, ist das zwar eine individuelle Erfahrung, aber wir nehmen sie wahr, indem wir in etwa denken: „Gut, das passt in die Kategorie Leerheit.“ Wir müssen dabei in unserem Geist nicht das Wort benutzen. Doch es gibt etwas, das zwischen der eigentlichen individuellen Wahrnehmung der Leerheit und dem Geist steht, nämlich diese allgemeine Kategorie: „Ach ja, das gehört zu dieser Kategorie. Jetzt meditiere ich wieder über Leerheit.“ Es kann sich durchaus um eine sehr tief gehende Erfahrung mit allen möglichen transformierenden Aspekten handeln, aber sie findet immer noch mittels dieser Kategorie statt. Das muss, wie gesagt, nicht unbedingt damit verbunden sein, dass wir das im Kopf verbalisieren – etwa mit den Worten: „Leerheit. Ich meditiere jetzt über Leerheit.“ Das muss nicht unbedingt der Fall sein, aber die Kategorie ist da.

Unbegrifflich bedeutet, etwas nicht vermischt mit einer Kategorie wahrzunehmen. Das ist die individuelle, besondere Erfahrung und – das ist das Knifflige daran – man weiß, dass es die Leerheit ist, aber man vermischt das nicht mit der Kategorie Leerheit. Das ist ein ganz diffiziles Thema, denn es geht nicht darum, ob man tatsächlich „Leerheit“ denkt oder nicht – das ist etwas anderes -, denn selbst wenn man nicht „Leerheit“ denkt, kann dabei dennoch die Kategorie vorhanden sein.

Lassen Sie uns das anhand eines einfacheren Beispiels betrachten. Hund – es gibt viele verschiedene Arten von Hunden und sie sehen sehr verschieden aus. Ich schaue ein Tier an und könnte dabei denken: „Hund“ – ich könnte dabei sogar das Wort im Sinn haben; doch auch ohne „Hund“ zu denken betrachte ich es als einen Hund. Ich vermische die Wahrnehmung mit der Kategorie „Hund“. Wenn ich ihn unbegrifflich wahrnehme, weiß ich, dass es ein Hund ist, aber ich beziehe mich gewissermaßen auf das Tier, das ich gerade vor mir habe. Es ist sehr diffizil, wirklich tiefgreifend zu verstehen, was „unbegrifflich“ eigentlich bedeutet und was „begrifflich“ eigentlich bedeutet. Das ist überaus schwierig.

Heißt das, dass wir zur gleichen Zeit mit unserem unbegrifflichen Verständnis der Realität arbeiten und dieses immer subtiler wird, und auch mit unserer begrifflichen Beschreibung der Welt arbeiten und diese weiter entwickeln?

Meistens findet bei uns unbegriffliche Wahrnehmung nur für einen winzigen Moment statt. Fast augenblicklich wird sie begrifflich. Ich blicke auf all diese bunten Gestalten … was sehe ich? Ich sehe farbige Formen und, ja, ich sehe auch bestimmte Objekte. Ich weiß, dass all diese farbigen Formen vor mir Menschen sind. Denke ich: „Menschen“? Nein. Jedenfalls verbalisiere ich nicht das Wort „Menschen“, wenn ich Sie betrachte, aber ich weiß, dass Sie Menschen sind. Beinhaltet meine Wahrnehmung also den Begriff „Menschen“ – indem ich Sie alle als Menschen betrachte -, den ich mit meinem Erblicken von Ihnen als Menschen vermische? Das ist die Frage, die von Interesse ist. Mit der Kategorie „Menschen“ sind bestimmte Assoziationen verknüpft, nicht wahr? Wenn ich zu Ihnen spreche, besteht die Möglichkeit, dass Sie mich verstehen. Ich spreche nicht zu einem Bild von Menschen.

Ich nehme an, das, was dem in unserem westlichen Bezugsrahmen am nächsten kommt, ist eine Vorstellung: Ich habe ein Vorstellung davon, was ein Mensch ist. Das wäre begrifflich. Ist das eine vorgefasste Meinung? Wenn wir von einer vorgefassten Meinung sprechen, ist dabei normalerweise ein beurteilender Aspekt vorhanden, etwa: Ich habe eine vorgefasste Meinung, ob Sie mich mögen werden oder nicht. Aber ich nehme Sie mittels der Vorstellung von „Menschen“ wahr; irgendwie besteht dabei ein klein wenig Distanz zwischen dem Objekt und seiner Wahrnehmung. Mit der bloßen Wahrnehmung von Ihnen ist etwas vermischt. Wenn ich Sie unbegrifflich wahrnehme – heißt das, dass ich keine Vorstellung davon habe, was ein Mensch ist? Dass ich nicht weiß, was ein Mensch ist? Nein, das bedeutet es nicht. Ich weiß, was ein Mensch ist. Ich weiß, dass Menschen bestimmte Bedürfnisse haben – ihre Beine können wehtun, sie müssen nach Hause gehen, und sie müssen zur Toilette gehen. Ich weiß das, aber es ist nicht vermischt mit meiner Wahrnehmung von Ihnen als Menschen. Oder so etwas in der Art.

Das hat, wie gesagt, eigentlich etwas mit Kategorien zu tun, in diesem Fall mit der Kategorie „Menschen“, und mit den jeweiligen Objekten, die in eine Kategorie passen – im Gegensatz zu ganz und gar individuellen Objekten. Das ist ein sehr, sehr feiner Unterschied, der in unserer Meditation sehr schwierig zu erkennen ist. Ungemein schwierig. Ein Anzeichen dafür besteht normalerweise darin, wie klar und lebhaft das Objekt ist. Wenn es mit einer Kategorie vermischt ist, ist es nicht so lebhaft. Es heißt, dass es ein kleines bisschen verschleiert ist, leicht verhüllt. Doch in unserem normalen Wachzustand tritt unmittelbare Sinneswahrnehmung nur für einen so kleinen Bruchteil von Zeit auf, dass wir sie nicht richtig erkennen können. Eine Gelegenheit, sie zu erkennen, ist im Traum. Träume sind unbegrifflich. Was man im Traum sieht und hört, ist nicht begrifflich. Man kann im Traum auch denken; das ist dann natürlich begrifflich. Aber ein Traumbild ist viel lebhafter. Doch für gewöhnlich ist unsere Vergegenwärtigung im Traum so gering, dass wir uns an die Traumbilder nicht einmal erinnern.

Wir sollten hier vermutlich den Traumzustand unterteilen in die Traumphase, in der wir Bilder sehen, und den Tiefschlaf, in dem keine Träume auftreten.

Richtig. Und wir beziehen uns auf das Auftreten nicht nur visueller Bilder, sondern auch von Geräuschen, Gerüchen und körperlichen Empfindungen. Man kann im Traum durchaus die Vorstellung haben, etwas zu essen.

Das Problem ist, dass vom buddhistischen Gesichtspunkt aus gesehen, soweit ich weiß, auch unsere Träume im Schlaf etwas Begriffliches sind. Wenn wir träumen – nicht im Tiefschlaf, in dem keine Träume auftreten, aber wenn wir träumen -, so ist das etwas Begriffliches.

Nein, nicht unbedingt. Man kann natürlich in Träumen begriffliche Wahrnehmungen haben, ganz bestimmt. Man kann im Traum denken, planen, reden und dergleichen. Aber wir sprechen hier vom tatsächlichen Sehen einer Vision im Traum. Das ist unbegrifflich. Es hat eine andere Qualität als wenn man etwas mit den Augen sieht, und eine ganz andere Qualität, als wenn man sich bloß etwas vorstellt, während man wach ist. Es ist lebhafter, es scheint realer. Und normalerweise denken wir dabei nicht viel.

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